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Das geheimnisvolle Gesicht

Das geheimnisvolle Gesicht

Titel: Das geheimnisvolle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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kommen Sie her, Herr Perryclifton! Sie wissen doch, wo wir wohnen?“
    „Im Höhenweg... Meinen Sie denn, daß das geht? Daß ich so ohne weiteres bei Ihnen auftauchen kann?“
    „Ich werde ihn vorbereiten, daß er Besuch aus London bekommt. Was werden Sie trinken? Kaffee oder Tee?“
    „Wenn Sie schon so direkt fragen: Tee wäre mir sehr lieb!“ . Die Theres am anderen Ende seufzte: „Und ich habe immer geglaubt, es sei ein Schwindel, daß die Engländer nur Tee trinken? Sagen Sie, stehen Sie auch nachts auf, um Tee zu trinken?“
    Jetzt mußte Perry Clifton doch lachen.
    „Nein, nie!“
    „Na ja, dann werd ich inzwischen Wasser aufsetzen. Bis gleich, Herr Perryclifton
    Clifton, der Scott Skiffers Schilderung von Gaitner noch in guter Erinnerung hatte, wußte im Augenblick nicht, auf wen er mehr gespannt sein sollte: auf den pensionierten Kommissar oder auf jene Frau mit Namen Theres.
    Er griff noch einmal zum Hörer und bat die Rezeption, ihm ein Auto zu bestellen. Dann klemmte er sich den großen braunen Umschlag — ohne Buch — unter den Arm und verließ das Zimmer.
    Als er die Hotelhalle betrat, wurde ihm bereits zugewinkt. In Basel schienen die Taxifahrer besonders schnell zu sein. Wie sich jedoch herausstellte, hatte ein Fahrer gerade neue Gäste gebracht.
    Es handelte sich um eine italienische Familie, bestehend aus Mutter, Vater und drei Töchtern, die alle gleichzeitig redeten.
    Hatte Perry Clifton bislang geglaubt, daß es so was nur in italienischen Filmen gäbe, so sah er sich jetzt eines Besseren belehrt. Er wurde Ohren- und Augenzeuge eines hinreißenden Palavers, bei dem mit Mund, Kopf, Augen, Händen, Füßen, Knien und dem Rest des Körpers geredet wurde.
    „Fame, mamma!“ rief das ganz kleine Mädchen.
    „Ho sete!“ rief das mittelgroße Mädchen.
    „Fame, mamma!“ rief das ganz kleine Mädchen.
    „Ho, freddo!“ sagte das große Mädchen.
    „Fame, mamma!“ rief das ganz kleine Mädchen.
    „C’è un caldo terribile!“ stöhnte die Mutter.
    „Fame, mamma!“ rief das ganz kleine Mädchen.
    „Ho, freddo!“ sagte das große Mädchen trotzig.
    „Vada a chiamare il medico, per favore!“ jammerte der Vater.
    „Fame, mamma!“ rief das ganz kleine Mädchen und spuckte sich auf den linken Schuh!
    Aus der Rezeption eilte eine Dame mit einem Glas Wasser herbei. „Non faccia complimenti per me. La prego!“ sagte die Mutter. Und sie stürzte das Glas in einem Zug hinunter.
    „Fame, mamma!“ rief die ganz Kleine, beugte sich vor und spuckte jetzt auch der großen Schwester auf den Schuh...
    Perry Clifton konnte leider nicht auf deren Reaktion warten, da der Taxifahrer inzwischen seinen Lohn empfangen hatte und nach draußen marschierte.
    „Sagen Sie“, erkundigte sich der Detektiv, noch ganz unter dem Eindruck der Vorstellung stehend, „worüber haben die Leute denn gestritten. Sie kommen mir vor, als hätten Sie verstanden, was sie sagten.“
    „Habe ich auch!“ nickte der Chauffeur. „Ich komme aus Como... Wieso Streit?“
    „War das kein Streit?“
    „Aber nicht doch... Die ganz Kleine hatte Hunger, die andere Durst, der dritten war warm, der Mutter heiß, und der Vater hat nur nach einem Arzt gerufen. Das war alles!“
    „Aha, das war alles...“ Eines wußte Perry Clifton in diesem Augenblick genau: Italienisch würde er nie mehr lernen, als für den Besuch einer Pizzeria nötig war.
    Er war so in seine Gedanken vertieft, daß er dem blauen VW mit Genfer Kennzeichen nicht die geringste Aufmerksamkeit schenkte. Auch dem Taxifahrer fiel der stets in seinem Windschatten fahrende Pkw nicht auf.
    Als er vor der angegebenen Hausnummer stoppte, war von dem Verfolger nichts mehr zu sehen.
    Ein Zeichen, daß dieser sein Geschäft zu verstehen schien.

Ein Mann namens Gaitner

    Wenig später stand Perry Clifton Johannes Gaitner gegenüber. Und er mußte feststellen, daß er sich ein völlig falsches Bild von dem ehemaligen Kommissar gemacht hatte. Es begann damit, daß Gaitner viel jünger aussah, als er in Wirklichkeit war. Daran änderte auch der schneeweiße Haarschopf nichts, um dessen Dichte und Fülle ihn wohl mancher beneidete, der dreißig oder vierzig Jahre weniger zählte. Sein Körper wirkte durchtrainiert, und seiner Gesichtsfarbe sah man es an, daß er sich oft im Freien aufhielt. Den stärksten Eindruck machten auf Clifton Gaitners Augen. Helle, graue, scharfblickende Augen, die ihn jetzt durchdringend musterten. Ohne Neugier, ohne Argwohn und Voreingenommenheit.

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