Das geheimnisvolle Gesicht
zehn Zufälle auf einen Schlag gibt?“
„Kaum!“
„Heute morgen, sozusagen als Nachfrühstücks-Überraschung, ist mir eingefallen, wo ich den jungen Mann von gestern schon gesehen habe. Es war im Büro der SWISSAIR in der Londoner Coventry Street. Er stand dicht hinter mir, obgleich es freie Schalter gab!“
„Das ist eindeutig!“ stimmte Gaitner zu.
„Noch gestern abend, als ich vom Alexander zurückkam, hätte ich jeden Betrag gewettet, daß man mich nicht beschattet hat... Es muß mindestens noch einen zweiten Mann geben, Kommissar. Und zwar einen Mann, der mich bisher noch nicht persönlich kannte. Da ist gestern morgen etwas geschehen, dem ich zunächst keine Bedeutung beigemessen habe, weil ich es für ein Versehen hielt. Ein Boy brachte mir einen Brief an den Frühstückstisch, auf Veranlassung des Rezeptionschefs; den hatte der Nachtportier am späten Abend zuvor in mein Fach gelegt. Ich öffnete den Brief und las... Aber er war an einen gewissen Max gerichtet. Ich ging also zur Rezeption und brachte den Brief zurück!“
Da fiel Gaitner ein: „Das war der Augenblick, auf den Ihr Schatten gewartet hatte. Er saß irgendwo im Foyer, wahrscheinlich mit einem Stadtplan oder einer Zeitung beschäftigt, und konnte Sie so in aller Ruhe besichtigen. Ein raffinierter Trick. Ich nehme an, daß sich die beiden ablösen.“
„Auf alle Fälle brauchen sie einen Wagen.“
„Sie haben gestern nicht zufällig auf die Nummer des Taxis geachtet, in das Ihr Schatten aus London vor dem Hotel eingestiegen ist?“
„Leider nein!“
„Schade! Es wäre eine Kleinigkeit gewesen, den Weg zu ihrem hiesigen Hauptquartier zurückzuverfolgen.“
„Ich werde die Augen offenhalten, Kommissar. Wie heißt es doch so schön: Eine erkannte Gefahr ist nur noch halb so gefährlich!“
„Ich sitze auf Abruf bereit! Sobald Sie einen Verfolger ausmachen, rufen Sie an. Wenn denen Tricks einfallen, dann fallen mir noch bessere ein!“ (Er sollte recht behalten!!) „Danke, Herr Gaitner. Vielleicht haben wir Glück!“
Perry Clifton wußte natürlich nicht, daß er den „sogenannten elften Zufall“ einer Fehleinschätzung der Situation durch Roger Püttely verdankte.
Jack McButton war um 7 Uhr 30 mit dem VW — diesmal mit Zürcher Nummer und Papieren — zum INTERNATIONAL gefahren. Er sollte die erste Schicht machen.
8 Uhr 45 betrat Püttely Mike Forsters Zimmer. Der junge Mann saß vor dem wackligen Minitisch und frankierte gerade einen Brief.
„Ich habe es mir anders überlegt, Mike. Zieh dich an und fahr zu Cliftons Hotel. Das Taxi habe ich schon bestellt!“
„Aber warum denn?“ protestierte Forster. „Jack ist doch dort!“
„Ich glaube, daß es besser ist, wenn ihr zu zweit seid! Ich habe mir da so meine Gedanken gemacht...“ Man sah es seiner nachdenklichen Miene an. „Clifton war gestern abend im Hotel Alexander. Er redete dort mit dem Nachtportier. Wenn er weitere Hotels abklappert, könnte es sein, daß er plötzlich vor einer Einbahnstraße aus dem Taxi steigt und zu Fuß weitergeht! Verdammt, Mike, wir müssen wissen, welche Hotels er besucht. Dieser Kerl ist viel klüger, als ich gedacht hatte.“
„Und wenn McButton nicht da ist, was mache ich dann?“
„Du wartest! Irgendwann wird er schon wiederauftauchen!“
Es klopfte.
„Ja!“ rief Püttely.
„Das Taxi ist da!“
Mike Forster zog seinen Regenmantel vom Bügel, nahm den Brief und ging ohne weitere Worte aus dem Zimmer. Bevor er die winzige Vorhalle verließ, drückte er dem blassen Mann mit den Pulswärmern und den Stulpen seinen Brief in die Hand und machte die Geste des In-den-Kasten-Werfens.
Ernst Tschudi nickte!
Als Mike Forster verschwunden war, warf er ihn in den Kasten. Doch nicht in den der Schweizerischen Bundespost, sondern in den Hausbriefkasten, dessen Inhalt Frau Bösle, die Kaltmamsell und Gelegenheitstelefonistin, jeden Abend mitnahm und am Bahnhof in den Kasten warf.
Eine Einrichtung, die sich seit Jahren bewährt hatte. Aus welchem Grund sollte er, Ernst Tschudi, für nichts und wieder nichts bis zur nächsten Straßenkreuzung laufen?
Perry Clifton hatte sich mit einem Taxi zum Claraplatz fahren lassen. Von hier aus wollte er den beiden ersten der drei Hotels, die ihm Gaitner durchgegeben hatte, einen Besuch abstatten. Größere Chancen, seinen Verfolgern zu entkommen — ohne sie mißtrauisch zu machen rechnete er sich aus, wenn er gewisse Teilstrecken zu Fuß zurücklegte. Dabei mußte er sich eingestehen,
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