Das geheimnisvolle Gesicht
der Hotelangestellte, und Perry Clifton zog sie der Reihe nach aus der neuen Tasche. Zuerst die Vergrößerung des Zeitungsbildes, dann das Porträt und die Fotos mit dem Auto. Bei jedem Bild sanken die Mundwinkel des Portiers weiter nach unten. Endlich schüttelte er den Kopf. „Tut mir leid. Aber diese Frau habe ich noch nie gesehen.“
Perry Clifton packte alles ein, bedankte und verabschiedete sich.
Als er vor dem INTERNATIONAL das Taxi verließ, glaubte er sicher zu sein, daß man ihn nicht verfolgt hatte. Er fuhr in sein Zimmer hinauf, drehte das Radio an und den Hahn der Badewanne auf und erklärte den Arbeitstag für beendet. Das gleiche dachte auch Roger Püttely, als er jetzt Gas gab und den Weg zum weniger exclusiven Hotel Loderer einschlug...
Der Freitagmorgen begann wie ein Bilderbuch-Frühlingstag: mit azurblauem, wolkenlosem Himmel und einer flimmernden Sonnenscheibe.
Nach der ausgiebigen Morgenwäsche mit Musik — es war
8 Uhr — fuhr Perry Clifton bestens gelaunt hinunter zum Frühstück. Die gute Laune, vom Vorabend mit in den neuen Tag hinübergerettet, glaubte er in erster Linie dem Wissen zu verdanken, daß er nicht verfolgt worden war.
Im Vorbeigehen nahm er von der Rezeption drei Ansichtskarten mit in den Speisesaal oder besser: in den Frühstücksraum. Er würde alle drei an Dicki Miller schreiben.
Heute war auch der elegante Grauhaarige wieder da. Im maßgeschneiderten Einreiher machte er den Eindruck, als sei er soeben einem Modejoumal entstiegen.
Perry Clifton verlangte „drei Eier auf Speck gesetzt“, eine Pampelmuse, Toast, Butter und eine Kanne Tee. Als das später alles Platz in dem dafür geschaffenen Magen gefunden hatte, griff er nach Karten und Stift.
Die erste Ansichtskarte zeigte eine Luftaufnahme von Basel, auf der man die ganze Rheinschleife übersehen konnte.
Auf der zweiten war das Hotel abgelichtet, und die dritte zeigte die Totalansicht des Internationalen Flughafens Basel-Mühlhausen. Perry schrieb auf jede Karte einen Teiltext, so daß die Karten mehr einem Kartenbrief als drei verschiedenen Kartengrüßen gleichkamen. Das hieß: Erst alle drei Karten zusammen ergaben einen Sinn.
Er wollte sich gerade erheben, als es ihn siedendheiß durchfuhr.
Langsam wendete er die letzte Karte um und starrte auf das Bild: das Flugfeld,
die Gebäude des Hangars, die Start- und Landebahnen, das große Rollfeld, die Maschinen,
Maschinen der SWISSAIR mit dem weißen Balkenkreuz auf rotem Grund... SWISSAIR...
London, New Coventry Street...
das SWISSAIR-CENTRE...
und darin das Büro der SWISSAIR.
Das Lockenköpfchen aus Basel... Wie hatte sie gleich gesagt: „Bitte, Sir, wenden Sie sich doch an meine Kollegin, sie ist frei!“ Und der junge, dunkelhaarige Mann hatte sich an jene Kollegin gewandt...
Woher war er gekommen? Was tat er hier in Basel?
Gut, er war wie er im Büro derselben Luftfahrtgesellschaft... Natürlich, warum sollte er nicht wie er in die Schweiz fliegen... Perry Clifton konzentrierte sich, begann die Zufälle wie die Teile eines Puzzles zusammenzuschieben:
Ein Mann bucht in London
am selben Tag,
zur selben Stunde,
im selben Büro,
bei derselben Luftfahrtgesellschaft!
Derselbe Mann taucht am nächsten Tag,
in derselben Stadt,
desselben Landes,
in derselben Straße,
vor demselben Hotel auf!
Zehn Zufälle! Waren zehn Zufälle wirklich nur noch Zufälle? Nein!!
Es konnte keine Zweifel daran geben, daß man seine Spur wieder aufgenommen hatte. Oder korrekter ausgedrückt: Man hatte sie nie verloren!
Vom elften Zufall ahnte Perry Clifton in diesem Augenblick noch nichts!
Was ihm jedoch jetzt klar wurde, war, daß die Sache mit dem Brief in seinem Fach kein Versehen des Nachtportiers gewesen war! Er ging in sein Zimmer zurück und nahm das Telefon ab.
Diesmal meldete sich Theres. „Ich bin’s, Clifton! Guten Morgen, Theres!“
„Guten Morgen, Herr Clifton!“ sagte sie und dann noch: „Moment! Er ist schon unterwegs!“ Clifton hörte zuerst etwas Getuscheltes, dann Sekunden später Gaitners Stimme: „Guten Morgen, Herr Kollege! Theres sagt, daß etwas geschehen sei?“
Einen Moment lang verschlug es Clifton die Sprache. „Ich hatte ihr nur guten Morgen gewünscht, Kommissar!“
„Meine Theres ist nicht nur eine gute Köchin, sie kann auch eine gute Psychologin sein. Es waren wohl ihre Zwischentöne, die sie stutzig gemacht haben. Was ist passiert?“ Perry Clifton antwortete zunächst mit einer Gegenfrage: „Glauben Sie, daß es
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