Das Geheimnisvolle Haus : Kriminalroman
gehabt, das Geheimnis des verstorbenen Mr. Farrington zu erfahren. Durch Zufall hatte er die wahre finanzielle Lage dieses vermeintlichen Millionärs durchschaut und entdeckt, daß er ein Schwindler war, der wahrscheinlich mit dem mysteriösen Montague Fallock zusammenarbeitete. Die glänzende Stellung, die sich Farrington geschaffen hatte, war in Wirklichkeit ein Kartenhaus. Poltavo mußte nun noch herausbringen, ob sich Farrington durch die Zuneigung zu seiner Nichte davon hatte abhalten lassen, ihr Vermögen anzutasten, cb-gleich es sonst seine Gewohnheit war, auch seine Freunde und Bekannten bluten zu lassen. Auf alle Fälle war Graf Poltavo davon überzeugt, daß er vollständig Herr der Situation sei, als er oben die Tür zu seiner Wohnung aufschloß. Er hielt alle Trümpfe in der Hand, und daß er im Verlauf des Spiels die entzückende Doris Gray gewinnen konnte, trug nicht wenig zu seiner Befriedigung bei.
Er ging durch das Wohnzimmer in den Schlafraum und stand einige Augenblicke vor dem Spiegel. Es war seine Gewohnheit, sich zu betrachten und sich mit sich selbst zu unterhalten. Wenn man ihn deswegen verspottete und ihn eitel nannte, so gab er diese Eigenschaft eher zu, als daß er sie in Abrede stellte. Er behauptete, daß er sich mit niemand so offen unterhalten könne wie mit seinem Spiegelbild, vor dem er sich sicher fühlen dürfe.
Er war mit Recht vergnügt und fröhlich. Jeden Tag machte er weitere Fortschritte, so daß Doris Gray mehr und mehr unter seinen Einfluß, wenn auch nicht in seine Gewalt kam.
Er lebte allein in seiner Wohnung und hatte keine Dienstboten - außer einer alten Frau, die jeden Morgen kam, um die Zimmer in Ordnung zu bringen.
Während er noch vor dem Spiegel stand, klingelte es draußen. Er ging selbst, um zu öffnen, ohne daran zu denken, daß es ein wichtiger Besuch sein könne. Graf Poltavo hielt sich für nicht zu gut, die Milch selbst an der Tür in Empfang zu nehmen oder mit irgendeinem Händler auf dem Flur beim Einkauf zu feilschen. Es war notwendig, daß er sparsam mit seinem Gelde lebte, bis ihn das Schicksal in den Besitz größerer Mittel brachte.
Als er die Tür öffnete, trat er erschrocken einen Schritt zurück, machte dann aber eine leichte Verbeugung.
»Treten Sie bitte näher, Mr. Doughton.«
Frank ging durch den kleinen Vorraum und wartete, bis der Graf die Wohnungstür geschlossen und eine andere geöffnet hatte. Dann trat er in das Arbeitszimmer.
»Welcher Umstand verschafft mir die Ehre Ihres Besuches?« fragte Poltavo, als er Frank einen Sessel hinschob.
»Ich möchte Sie in einer Angelegenheit sprechen, die Sie und mich angeht«, erwiderte der junge Mann etwas schroff und sah ihn scharf an.
Graf Poltavo nickte. Er erkannte sofort, daß Frank ihm feindlich gegenüberstand, aber er ließ sich dadurch nicht im mindesten einschüchtern oder verblüffen. Er hatte sich schon aus viel schwierigeren Situationen glänzend herausgezogen.
»Es tut mir leid, daß ich Ihnen nur eine Viertelstunde zur Verfügung stellen kann. Wenn diese Zeit abgelaufen ist, muß ich zum Brakely Square fahren, wo das Testament unseres verstorbenen Freundes eröffnet wird -«
»Das weiß ich«, unterbrach ihn Frank. »Sie sind nicht der einzige, der eine Einladung erhalten hat.«
»Kommen Sie auch?« fragte der Graf etwas erstaunt. Er selbst war als Freund und Berater der verwaisten Doris Gray gebeten worden. Diese Stellung hatte ihm ein Brief verschafft, den Doris erhalten hatte. Die wenigen Zeilen hatten ihr mitgeteilt, daß sie sich auf den Grafen in jeder Weise verlassen könne. Und wegen dieses Briefes war auch Frank Doughton gekommen.
»Graf Poltavo, am Tage nach dem Verschwinden Mr. Farringtons brachte ein Bote Miss Gray einen Brief.«
»Das ist mir bekannt«, erwiderte der Graf liebenswürdig.
»Der Brief betraf Sie. In dem Schreiben wurde Doris mitgeteilt, daß sie Ihnen durchaus vertrauen könne; außerdem wurde darin angedeutet, daß der Tote, den man in der Themse fand, nicht mit Mr. Farrington identisch sei.«
Poltavo runzelte die Stirn.
»Die Behörden haben aber eine andere Ansicht«, sagte er schnell. »Das Gericht hegte nicht den geringsten Zweifel, daß es Mr. Farrington war.«
»Was bei der Leichenschau festgestellt wird und was Scotland Yard darüber denkt, sind zwei ganz verschiedene Dinge«, entgegnete Frank trocken. »Der bewußte Brief hatte zur Folge, daß Miss Gray ihr Vertrauen auf Sie setzte, Graf, und von Tag zu Tag macht sie es mir durch
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