Das Geheimnisvolle Haus : Kriminalroman
Farrington böse. »Es wird Ihnen sogar leid tun, daß Sie mir damit gedroht haben.«
»Ich drohe Ihnen nicht nur«, rief Poltavo zornig, »ich werde meine Drohung auch ausführen! Wenn Sie mir in den Weg treten, so tun Sie das auf eigene Gefahr.« Er zeigte die geballte Faust.
Farrington sah ihn mit einem langen, ernsten Blick an, als ob er die wahre Gesinnung des Polen erforschen wollte.
»Ich wünschte, es wäre nicht so gekommen«, sagte er halb zu sich selbst. »Ich hoffte, einen brauchbaren Menschen aus Ihnen zu machen, Poltavo, aber ich sehe, daß ich mich in Ihnen getäuscht habe. Ich hatte mir eingebildet, daß Gefühle nie eine Rolle in unseren Beziehungen spielen würden. Oder wollen Sie Doris des Geldes wegen heiraten - wollen Sie ihr Vermögen haben?« fragte er plötzlich.
Poltavo schüttelte den Kopf.
»Ihr verdammtes Geld!« sagte er hitzig. »Ich will das Mädchen haben! Jeden Tag erscheint sie mir wertvoller und begehrenswerter.«
»Andere Frauen waren Ihnen auch schon teuer«, erwiderte Farrington leise und erregt. »Aber wie lange haben sie sich Ihrer wandelbaren Zuneigung erfreuen dürfen? Solange es Ihnen paßte! Und wenn Sie genug hatten, haben Sie sie im Stich gelassen und fortgeworfen, als ob sie Ihnen nie etwas bedeutet hatten. Ich kenne Ihr Vorleben genau. Ich möchte jetzt nur noch Gewißheit haben, ob Sie im Ernst sprechen, denn wenn das der Fall ist …« Er machte eine Pause.
»Nun, was geschieht dann?« fragte Poltavo herausfordernd.
»Dann werden Sie dieses Haus nicht lebend verlassen.«
Farrington sagte das in einem so sachlichen Ton, daß die volle Bedeutung seiner Worte dem Polen nicht sofort klar wurde.
Poltavo lächelte, aber plötzlich erstarrten seine Züge. Mit einer unvermutet raschen Bewegung griff er an seine Hüfte, zog eine Pistole aus der Tasche und richtete sie auf Farrington.
»Versuchen Sie keinen Ihrer Tricks«, rief er. Sein Atem ging schnell. »Ich bin auf alles vorbereitet, Farrington! Sie machen einen Fehler, wenn Sie mir drohen wollen.«
»Ich mache nicht solche Fehler wie Sie«, erwiderte Farrington lächelnd. »Schießen Sie doch Ihre Pistole ab, wenn Sie können. Ich habe aber den Eindruck, daß keine Patronen im Magazin sind.«
Ein Blick auf die Waffe genügte Poltavo, um ihn davon zu überzeugen, daß Farrington die Wahrheit gesprochen hatte. Er wurde bleich.
»Nun«, sagte er plötzlich liebenswürdig, »wir wollen diesem unvernünftigen Streit ein Ende machen. Ich bin ja eigentlich hierhergekommen, um zu sehen, was ich für Sie tun könnte.«
»Sie sind hergekommen, um meine Zustimmung zu Ihren Wünschen, Doris betreffend, zu erzwingen! Die Sache hätte besser ausgehen können.« Er klingelte, und Dr. Fall kam nach einigen Augenblicken herein.
»Geben Sie dem Grafen etwas zu essen, bevor er das Haus verläßt. Er geht nach London zurück.«
Der sachliche Ton, in dem Farrington seinen Auftrag gab, brachte Poltavo wieder zu sich; namenlose Furcht hatte ihn befallen. Es lag eine seltsame Drohung in der Stille dieses großen Hauses. Aber allmählich gewann er seine Fassung wieder, und sein Selbstbewußtsein kehrte zurück, als er in der Tür stand.
»Haben Sie sich jetzt wegen Doris entschieden?« fragte er.
»Das sollte Ihnen doch klargeworden sein«, erwiderte Farrington.
»Nun, dann ist es gut.«
Poltavo folgte Dr. Fall den Gang entlang. Der Arzt öffnete eine kleine Tür, die zu einer erleuchteten Fahrstuhlkabine führte. Poltavo ging hinein, und die Tür schloß sich automatisch hinter ihm.
»Wie bringe ich den Fahrstuhl in Gang?« fragte er durch das Eisengitter.
»Das besorge ich von der Außenseite«, entgegnete Dr. Fall liebenswürdig und drückte auf einen elektrischen Knopf.
Der Lift bewegte sich nach unten. Poltavo kam an der Stahl tür des ersten Geschosses und an der Stahltür des Parterres vorbei, aber der Fahrstuhl hielt nicht an. Er fuhr immer tiefer und tiefer, langsam und gleichmäßig bewegte er sich nach unten. Schließlich kam er zum Stillstand, und zwar vor einer Tür, die aus einer großen Anzahl dünner horizontaler Stahlstangen bestand. Als er anhielt, öffnete sich die Tür geräuschlos. Alle Sinne Poltavos waren jetzt wach. Er, den noch keiner an Intrigen und Verrat überboten hatte, war nun selbst ein Opfer eines Verrats geworden. Er verließ den Fahrstuhl noch nicht, sondern bereitete sich auf alle Möglichkeiten vor. Schnell zog er einen Bleistift aus der Tasche und kritzelte hastig einige Worte auf die
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