Das Geheimnisvolle Haus : Kriminalroman
sehen will. Er ist in seiner schlechtesten Verfassung. Aber ich will einmal zu ihm gehen und mich nach seinen Wünschen erkundigen.«
Zehn Minuten später kehrte er zurück und winkte Poltavo. Er führte ihn zu dem Zimmer, in dem der bettlägerige Mr. Moole untergebracht war.
Ein Mann wandte sich um, als die beiden eintraten. Es war tatsächlich Farrington - derselbe Farrington, der an jenem Abend aus der Loge im Jollity-Theater verschwunden war.
Der große Mann nickte nur kurz.
»Warum sind Sie hierhergekommen und haben die Hälfte aller Detektive Londons auf meine Spur gehetzt?« fragte er barsch.
»Ich glaube nicht, daß Sie es nötig haben, sich um die Detektive Londons zu kümmern.« Poltavo sah Dr. Fall von der Seite an. »Ich möchte Sie allein sprechen.«
Farrington gab dem Arzt einen Wink, und Dr. Fall verließ den Raum.
Poltavo ging nun mit schnellen Schritten auf Farrington zu.
»Ich möchte wissen - Sie verräterischer Hund -, was Ihr verrücktes Testament bedeuten soll!«
»Sie können sich auch setzen«, erwiderte Farrington kühl. »Es ist Zeit, daß Ihnen klar wird, Poltavo, daß ich nicht der Mann bin, von dem man Rechenschaft verlangt, warum er dies oder jenes getan hat. Ich gestatte keinem Menschen, wer es auch immer sei, so mit mir zu sprechen, wie Sie es tun.«
»Sie wissen, daß Sie in meiner Hand sind«, sagte Poltavo großspurig. »Ist Ihnen bewußt, daß Ihr ganzes Kartenhaus einfällt, wenn ich nur den kleinen Finger hebe?«
»Wenn Sie alles wüßten, was ich weiß, würden Sie Ihre Zunge im Zaum halten. Setzen Sie sich - was wollen Sie denn eigentlich?«
»Warum haben Sie die Bestimmung in Ihr Testament eingefügt, daß Doris diesen niederträchtigen Doughton heiraten soll?«
»Ich hatte guten Grund, das zu tun.«
»Dann klären Sie mich darüber auf«, rief Poltavo wütend.
»Das fällt mir gar nicht ein!« Farrington lachte böse. »Es genügt, wenn ich Ihnen sage, daß ich das Glück des Mädchens im Auge hatte. Haben Sie denn noch nicht verstanden«, fuhr er schnell fort, »daß das einzige in meinem Leben, was unantastbar und gut ist, die Liebe zu meiner Nichte ist? Ich will sie glücklich sehen, und ich weiß, daß sie nur mit Doughton wirklich ganz glücklich werden kann.«
»Sie sind verrückt«, fuhr Poltavo auf. »Sie ist schon halb in mich verliebt.«
»In Sie?« Farrington kniff die Augen zusammen. »Das ist ganz unmöglich.«
»Warum soll das unmöglich sein?« fragte Poltavo laut und heftig und schlug ärgerlich auf den Tisch.
»Aus vielen Gründen. Sie sind nicht einmal würdig, ihr Untergärtner zu sein, viel weniger ihr Mann. Sie sind -verzeihen Sie meine Offenheit - ein Erpresser, ein Dieb, ein Mörder, ein Fälscher und ein Bankräuber, soviel ich weiß.« Er lächelte. »Ja, ich habe Ihrer Erzählung vorhin interessiert zugehört. Ich habe hier alle Einrichtungen, die es möglich machen, unbeobachtet jedes Gespräch zu belauschen. Aber glücklicherweise hatte ich es in Ihrem Fall nicht nötig, mich noch näher zu informieren. Ich habe einen ebenso vollständigen Bericht über Ihre Vergangenheit wie unser Freund Smith. Und ich sage Ihnen, Poltavo, daß ich eher tot sein möchte, als Ihnen Doris ausliefern, obwohl ich Sie als meinen Agenten enorme Summen verdienen lasse, wenn Sie Hand in Hand mit mir arbeiten.«
Ein häßliches Lächeln zeigte sich auf Poltavos Zügen. »Ist das Ihr letztes Wort?«
»Ja. Wenn Sie einen guten Rat von mir annehmen wollen, so begnügen Sie sich damit. Lassen Sie alles so, wie es ist, Poltavo. Sie sind im Begriff, ein großes Vermögen zu erwerben. Lassen Sie nicht eine vollkommen unangebrachte Liebelei oder einen noch weniger angebrachten Ehrgeiz hineinspielen, wodurch Sie sich Ihre ganze Stellung verderben.«
»Sie würden mir nie gestatten, Doris zu heiraten, was auch immer geschehen könnte?«
»Das war der Sinn meiner Worte.«
»Aber nehmen wir einmal an« - Poltavo strich seinen Schnurrbart und lächelte höhnisch -, »ich könnte Sie dazu zwingen?«
Farringtons Stirn legte sich in Falten.
»Wie wollen Sie denn das machen?« fragte er.
»Nehmen wir einmal an, ich zöge aus der Tatsache Nutzen, daß Doris Gray, ein gefühlvolles junges Mädchen, die sympathischer Verehrung wohl zugänglich ist und sich schon halb in mich verliebt hat - also nehmen wir einmal an, ich würde mir diese Tatsache zunutze machen, und wir würden gegen Ihren Willen heiraten?«
»Das wird Ihnen schlecht bekommen«, entgegnete
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