Das Geheimnisvolle Haus : Kriminalroman
Situation, da er den größten Teil des Geldes, das er in der Hand hatte und das nach dem Abkommen nicht ihm allein gehörte, auf eine Pariser Bank überwiesen hatte. Er war auf alle Möglichkeiten gefaßt - und nun stand ihm hier noch ein großer Erfolg bevor. Wenn er das Schweigegeld des Herzogs von Ambury erhalten hatte, konnte er einen Strich unter sein vergangenes Leben ziehen.
Er klingelte. Ein Italiener mit abstoßenden Gesichtszügen trat ein. Es war einer der Agenten, die Poltavo von Zeit zu Zeit engagierte, um Dinge zu erledigen, die unter seiner Würde lagen oder deren Ausführung ihm zu gefährlich erschien.
»Federigo«, sagte Poltavo auf italienisch. »Antonio ist festgenommen und von der Polizei nach Calais abgeschoben worden.«
»Das ist mir bekannt, mein Herr. Er hatte großes Glück. Ich fürchtete schon, daß sie ihn ins Gefängnis stecken würden.« PoltVvo lächelte.
»Das Vorgehen der englischen Polizei ist manchmal ganz unverständlich. Antonio wollte den ersten Chef des Geheimdienstes ermorden, und sie haben ihn freigelassen! Ist das nicht Wahnsinn? Aber Antonio wird auf keinen Fall wieder zurückkommen. Denn wenn die Leute auch zuweilen verrückt sind, werden sie doch nicht so dumm sein, ihn wieder hier landen zu lassen. Ich habe ihm telegrafiert, nach Paris zu gehen und mich dort zu erwarten. Wenn Sie durch einen unglücklichen Zufall jemals in eine Lage wie unser tüchtiger Antonio kommen sollten, so bitte ich mir aber vor allem aus, daß Sie mir keine Telegramme schicken!«
»Darauf können Sie sich verlassen, mein Herr«, erwiderte der Italiener grinsend. »Ich werde Ihnen keine schicken, denn ich kann nicht schreiben.«
»Ein ausgezeichnetes Manko!« Poltavo nahm ein Kuvert vom Tisch.
»Sie geben diesen Brief einem Manne, der Sie am Branson Square treffen wird. Die genaue Stelle habe ich Ihnen ja schon erklärt.«
Der Italiener nickte.
»Dieser Mann wird Ihnen dafür einen anderen Brief einhändigen. Sie kommen nicht hierher zurück, sondern gehen zu dem Haus Ihres Bruders in der Great Saffron Street. Dort wird ein Mann vor der Tür stehen, der einen langen Mantel trägt. Sie gehen dicht an ihm vorbei und stecken dieses Kuvert in seine Tasche - haben Sie mich verstanden?«
»Jawohl, ich habe mir alles genau gemerkt.«
»Dann gehen Sie, und Gott möge Sie beschützen«, sagte Poltavo fromm, als er diesen Brief abschickte, der den Herzog von Ambury in Schrecken und Verwirrung setzen würde.
Es war schon spät am Abend, als Federigo Freggetti die Great Saffron Street erreichte. Er eilte durch die verlassene Straße, bis er an das Haus seines Bruders kam. In der Nähe der engen Tür stand ein Mann, der auf jemanden zu warten schien. Federigo ging an ihm vorbei, tat so, als ob er strauchelte, entschuldigte sich und ließ dabei den Brief in die Tasche des anderen gleiten. Mit raschem Blick hatte er den Fremden als den Grafen Poltavo erkannt; auf der Straße war niemand zu sehen, und in dem Halbdunkel hätte selbst das schärfste Auge die Übergabe des Briefes nicht beobachten können. Poltavo ging langsam zum Ende der Straße, sprang in ein Mietauto, das dort auf ihn wartete, und erreichte sein Haus, nachdem er den Wagen noch öfter gewechselt hatte, ohne einem der vielen wachsamen Agenten von Scotland Yard in die Arme zu laufen. In seiner Wohnung öffnete er in höchster Spannung den Brief. Würde der Herzog von Ambury die große Summe zahlen, die er von ihm gefordert hatte? Und wenn dies nicht der Fall war, welchen Betrag würde er als Schweigegeld anbieten? Aber schon bei den ersten Worten, die er las, atmete er auf.
Ich bin bereit, die Summe zu zahlen, die Sie von mir verlangen, obgleich ich der Ansicht bin, daß Sie sich eines schweren Verbrechens schuldig machen. Und da Sie zu fürchten scheinen, daß ich Ihnen irgendeinen Streich spielen könnte, wird Ihnen das Geld durch einen alten Landarbeiter von meinem Gut in Lancashire überbracht werden, der nichts von der Sache weiß, die er vermitteln soll. Er wird Ihnen die Summe gegen Übergabe der Trauungsurkunde aushändigen. Wenn Sie einen Treffpunkt angeben, der all Ihren Anforderungen auf Entlegenheit und Sicherheit entspricht, so werde ich den Mann zu diesem Platz schicken, zu einer Zeit, die Sie bestimmen mögen.
Ein triumphierendes Lächeln zeigte sich auf Poltavos Zügen, als er den Brief zusammenfaltete.
»Nun ist es an der Zeit, daß wir uns trennen, Freund Farrington«, sagte er halblaut vor sich hin. »Ich brauche
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