Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geiseldrama

Das Geiseldrama

Titel: Das Geiseldrama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
wollte er nur mal ordentlich auf die Tube drücken. Er
hat eine Spritztour gemacht.“
    „Mensch, Willi, zähl doch mal
bis drei, ohne durcheinander zu kommen! Der Unfall war auf der Landstraße nach
Herchenau. Und im Herchenauer Wald soll Dikal eine Hütte haben. Eine
Blockhütte, wohin er sich am Wochenende zurückzieht. Damit hat er doch bei Ute
Hollmeier angegeben. Und sie eingeladen, bevor sie sich den Oberschenkel brach.
Aber sie hat ihn abgeschmettert, weil — wie Gaby meint — er nun wirklich nicht
ihr Typ ist. Die Hollmeier mag den Weller. Aber der steht mehr auf der Blank.
Die ist aber längst verlobt. Jedenfalls könnte sich der Molch die Hütte an den
Hut stecken, wenn nicht...“
    Er hielt inne. Dann setzte er
die Tasse heftig ab, daß der Tee überschwappte.
    Klößchen begann wieder zu
zwinkern.
    „Halt deine Glotzdeckel ruhig“,
sagte Tarzan. „Ich merke auch so, daß bei dir der Groschen gefallen ist. Vor
allem: Pst.“ Er legte den Finger über die Lippen. „Wenn Pfote und Karl kommen,
besprechen wir alles. Vielleicht gelingt uns der Fang des Jahrhunderts.“ Er
dämpfte die Stimme zum Hauch. „Stell dir vor, die Brigade Staatsfeind hat dort
ihr Hauptquartier.“
     
    *
     
    Quartier B war eine
Dachgeschoßwohnung: in einem Haus an der Bleibetreu-Straße. Zwölf — zum Teil
kinderreiche — Familien wohnten hier. Es ging laut zu. Narrenhände hatten im
Treppenhaus die Wände verschmiert. Aus den Wohnungen drangen Küchendünste. Der
Geruch verschiedener Kohlsorten mischte sich. Im dritten Stock wurde ein Braten
bereitet. Im Parterre führte ein Flur zum Hinterhof. Unter dem Schild FAHRRÄDER
ANLEHNEN VERBOTEN! lehnten fünf Drahtesel.
    Hanna Neu hatte die Wohnung
gemietet. Natürlich unter falschem Namen, mit falschen Papieren und verändertem
Äußeren. Für sich und ihren Bruder hatte sie gemietet. Den spielte Martin
Macke.
    Seit gestern abend hatte das
Geschwisterpaar Besuch. Einige Hausbewohner hatten die Typen gesehen, aber wenig
Neugier gezeigt. Wer ahnte denn auch, daß sich so schweres Kaliber unter den
Perücken verbarg wie: Heinz Schorbach, Felix Ohnesorge und Francesca Oliviri!
    Ohnesorge war sommersprossig
und rothaarig. Er hatte ein derbes Gesicht und Hände, mit denen er Kokosnüsse
aufknacken konnte. Er schlief mit geladener Pistole unterm Kopfkissen und wurde
u. a. gesucht wegen schwerer Körperverletzung in acht Fällen und eines
Totschlags.
    Die Oliviri stammte aus
Italien, aber ihre Mutter war Deutsche. Sie war mit 38 Jahren die Älteste in
der Terroristengruppe und hatte scharfe, hexenhafte Züge. Ihr langes Haar war
blond gefärbt, dunkelte aber am Ansatz rasch nach. Sie trug es — privat,
versteht sich — immer nach rechts gekämmt, wo es ihr auf die Schulter hing. Am
linken Ohr baumelte meistens ein grünes Gehänge.
    An diesem Morgen — es war kurz
nach acht Uhr — saßen sie am Eßtisch im Wohnzimmer.
    Ohnesorge futterte ohne
Unterlaß. Die Hände wischte er sich mal am T-Shirt, mal an den Jeans ab.
Schorbach und Macke rauchten. Die Frauen tranken erst ihren Kaffee aus, bevor
sie Zigaretten anzündeten.
    In den Aschenbechern häuften
sich Zigarettenreste. Alle Gesichter waren bleich. Nervosität stand in den
Augen.
    Hinter dem Quintett lag eine
endlose, schlaflose Nacht.
    „In den Nachrichten war
nichts“, sagte Schorbach.
    „Was heißt das schon“, knurrte
Macke gereizt. „Arved und Jens sind nicht zurückgekommen. Bei Jens meldet sich
niemand am Telefon. Für mich heißt das: Die beiden haben sich erwischen
lassen.“
    Die andern nickten.
    „Da gibt’s keinen Zweifel“,
bekräftigte Hanna Neu.
    „Ich meinte ja auch nur“, sagte
Schorbach, „daß die Zeit gereicht hätte, um was in den Nachrichten zu bringen.“
    „Ich kann mir denken, warum die
Bullen eine Nachrichtensperre verfügen“, erklärte Francesca Oliviri. „Wegen uns!
Sie befürchten, wir könnten was unternehmen. Sie wissen, wie das bei uns ist:
Einer für alle und alle für einen! Sie wissen, daß wir Arved befreien werden.
Für Dikal, meine ich, lohnt sich der Aufwand nicht. Aber darüber können wir
abstimmen.“
    „Wir müssen rasch handeln.“
Ohnesorge polkte in seinen Zähnen herum, was ihm Hannas mißbilligenden Blick
eintrug. „Weil die natürlich alles versuchen werden, um aus Arved
rauszupressen, wo wir sind. Wahrscheinlich foltern sie ihn.“
    „Spinn nicht!“ Francesca schüttelte
den Kopf.
    „Ich weiß es, daß die Bullen
foltern“, beharrte Ohnesorge. „Aus Dikal

Weitere Kostenlose Bücher