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Das Geiseldrama

Das Geiseldrama

Titel: Das Geiseldrama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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antun. Im Krankenhaus würden sie ihn sofort erkennen. Jeder in
diesem Land kennt sein Gesicht. Verdammte Steckbriefe! Alle müßte man
vernichten. Krankenhaus geht nicht. Zu einem Arzt kann ich ihn nicht bringen.
Noch weniger in meine Wohnung. Es gibt nichts, wo er...
    Plötzlich fiel es ihm ein.
    „Die Hütte!“ sagte er laut.
„Mensch, Arved! Wozu haben wir die Hütte. Wenn du wieder wirst, dann wirst du’s
dort. Bei frischer Luft und in aller Ruhe.“
    Er stieg aus, holte eine Decke
aus dem Kofferraum und breitete sie über Lotzka. Wer jetzt zufällig in den
Wagen blickte, sah ihn nicht gleich.
    Trotzdem fuhr Dikal durch
Nebenstraßen. Angst saß ihm im Genick. Einmal sah er einen Streifenwagen, aber
nur von weitem. Er hielt sich an jede Geschwindigkeitsvorschrift und atmete
auf, als die Stadt endlich hinter ihm lag.
    Jetzt drehte er auf. Er
preschte die Landstraße entlang. In der Kurve jaulten die Reifen. Zweimal hielt
er, um nach Lotzka zu sehen. Dessen Zustand war unverändert: tiefe
Bewußtlosigkeit, aber kräftiger, regelmäßiger Puls. Die Platzwunde am Kopf war
groß wie ein Handteller. Und angeschwollen. Der Schaden mußte allerdings tiefer
sitzen. Schädelbruch? Schwere Gehirnerschütterung? Davon verstand Dikal nichts.
Er wußte nur, daß man ihn nicht mit Lotzka im Wagen erwischen durfte.
    Endlich erreichte er den
Waldrand. Er fuhr über die Forststraße. Eine halbe Stunde später erreichte er
die Hütte.
    Der Wald war schwarz. Wind
bewegte die Zweige der Tannen und Fichten, über die das Scheinwerferlicht
strich. Ein Rauschen lag in der Luft. Irgendwo klopfte Holz auf Holz: ein Ast
gegen den Stamm seines Baumes.

    Die Hütte stand auf steinernem
Sockel und war aus Stämmen gefügt. Die stabile Tür hatte ein Sicherheitsschloß.
    Er öffnete. Dann trug er Lotzka
hinein.
    Er zündete eine Petroleumlampe
an und legte den Bewußtlosen aufs Bett.
    Auf dem Tisch stand eine
Flasche Wodka. Damit netzte er Lotzka die Schläfen. Aber das half nichts. Der
Terroristen-Chef atmete flach und blieb in seiner Bewußtlosigkeit, als werde er
nie wieder erwachen.
    Dikal zog ihm die Schuhe aus,
befreite ihn von Gürtel und Tasche, säuberte die Wunde, so gut das ging, und
legte eine Steppdecke über ihn. Er stöberte in Lotzkas Tasche und hoffte, einen
Hinweis auf Quartier B zu finden. Aber er entdeckte nur eine Wanderkarte. Er
steckte sie ein.
    Die Hände zitterten. Er war am
Ende seiner Kraft. Gierig trank er aus der Wodka-Flasche. Er setzte ab, wischte
sich den Mund, spürte Wärme im Magen und Benommenheit im Kopf. Er trank wieder.
Als er diesmal absetzte, war die Flasche leer.
    Es gab nur eine Möglichkeit, um
Verbindung aufzunehmen. Die andern mußten sich bei ihm melden. Da er doch
keinen blassen Schimmer hatte, wo er sie suchen sollte! Anrufen mußten sie ihn.
Wie er sie einschätzte, würden sie das noch heute nacht tun. Die wurden doch
unruhig...
    Er rülpste. Er schloß die Hütte
ab, setzte sich in den Wagen und startete.
    Der heulende Motor zerriß die
nächtliche Stille des Waldes. Dikal preschte wie ein Verrückter. Nur um Haaresbreite
kam er am Stamm einer mächtigen Eiche vorbei.
    Als er den Wald hinter sich
hatte und auf der Landstraße war, trat er das Gaspedal durch.
     
    *
     
    Görr stellte sich dumm.
    Hagedorn konnte nur aussagen,
was er gesehen hatte: einen dunkel gekleideten Mann mit Mütze. Das Gesicht?
Hagedorn zuckte die Achseln.
    „Eigentlich habe ich ihn nur
von hinten gesehen.“
    Görrs Aussage war noch weniger
wert.
    Die Polizeibeamten machten sich
Notizen, suchten das Grundstück ab und dann — noch lustloser — den Park. Sie
fanden keine Spur, auch keinen Zeugen, der irgendwas bemerkt hatte.
    Görr durfte nach Hause gehen.
    Kaum war er dort angelangt,
griff er zum Telefon.
    Die Internatsschule hatte eine
Sammelnummer als Hauptanschluß und — wie alle großen Betriebe — eine Reihe von
Durchwahlnummern. Die gehörten zu den Wohnungen der Lehrer, zur Verwaltung, zu
den Wirtschaftsräumen und zur Hausmeisterei.
    Görr hatte Dikals Nummer, die
aber nicht im Telefonbuch stand. Er wählte, hörte das Läuten und wartete lange.
    Eine halbe Stunde später
probierte er’s abermals. Wieder vergebens.
    Zu Hause war der treue Freund
also nicht. Sondern wo? Hatte er seinen Komplicen, den Dieb, in dessen Wohnung
gebracht? Oder ins Krankenhaus? Oder zu einem Arzt? Wie schwer war die
Verletzung? Der Dieb hatte eine Mütze getragen? Hatte das den Schlag gedämpft?
Also doch was zum

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