Das Geiseldrama
Bad und Bett bewegte, lehnten am
Nachttisch. Ute lächelte.
„Und deinen Oskar bringst du
mit. Wie schön, daß ich ihn kennenlerne. Ist der aber hübsch!“
„Vorhin war er hübsch. Eben hat
er sich im Dung gewälzt. Er stinkt, hat aber kein schlechtes Gewissen. Sieh
an!“
Oskar merkte, daß von ihm die
Rede war, und kehrte seine beste Seite hervor, indem er sich vor Ute auf die
Hinterläufe setzte und zur Begrüßung die Pfote reichte.
Ute nahm sie, sagte: „Grüß
dich, Oskar!“ und war hingerissen. Sie hatte sogar ein Stück Wurst für ihn, das
Gaby aus dem Eisschrank der Winzig-Küche nehmen durfte. Ute erhielt ihr Buch
und erstattete Gaby die Auslagen.
„Ist ja erschütternd, daß der
Dikal zu diesen Verbrechern gehört“, Ute deutete zur Morgenzeitung, die über
alles berichtet hatte, was Görr, Lotzka und Dikal betraf. „Und über euch vier,
Gaby, kann man nur staunen. Toll, was ihr da geleistet habt.“ Sie lächelte.
„Dich habe ich im Verdacht, daß du mich gestern ausgehorchst hast. Als es um
Dikals Hütte ging. Nicht wahr?“
„Ein bißchen“, gestand Gaby.
„Sagen konnte ich noch nichts. Zu der Zeit war es nur ein Verdacht.“
In diesem Moment hob Oskar
lauschend den Kopf. Er schaute zur Tür. Dann knurrte er leise, was aber
niemanden erschreckt hätte. Furchterregend war der brave Vierbeiner nicht.
Irgendwo im Haus wurde eine Tür
zugeschlagen.
„Halt!“ rief eine Frau.
Dann peitschte der Schuß auf.
Gaby und Ute sahen sich an.
„Um Himmels willen! Das klang
wie ein Schuß.“ Die Lehrerin griff nach ihren Krücken.
„Bitte, bleiben Sie!“
Gaby lief zur Tür, Oskar ihr
nach. Sie schob ihn zurück, bevor sie öffnete. Dann schrie sie auf.
Vor ihr stand Thomas Weller,
der junge Studienrat. Sein Gesicht war kreidebleich. Er trug keine Jacke. Seine
rechte Hand umklammerte den linken Oberarm. Zwischen den Fingern quoll Blut
hervor.
„Überfall!“ keuchte er. „Ich...
glaube, es sind Terroristen. Schnell! Sie...“
Er wollte über die Schwelle,
obwohl ihn das nicht in Sicherheit gebracht hätte, denn Ute Hollmeiers Wohnung
besaß nur diesen Eingang, wäre also zur Mausefalle geworden.
Selbst für diesen Schritt war
es zu spät.
„Bleiben Sie stehen!“ rief eine
Frauenstimme von der Treppe her. „Das ist kein Spaß. Mit dem nächsten Schuß
lege ich Sie flach.“
Stöhnend lehnte sich Weller an
den Türrahmen.
Gaby war erstarrt. Oskar
drückte sich an ihre Beine. Sie sah die Frau, die jetzt herankam. Unter der
schwarzen Strumpfmaske wurde ihre Nase flach gedrückt. Es schien ein junges
Gesicht zu sein. Viel Haar bauschte sich hinter den Ohren. Die Pistole war auf
Weller gerichtet. Aber der war zu keinem Widerstand mehr fähig.
„Wir haben die Schule besetzt“,
erklärte die Frau. „Fügt euch, und ihr habt nichts zu befürchten. Dies ist eine
Aktion der Brigade Staatsfeind. Verstanden?“
Ich träume, dachte Gaby. Das
kann nicht wahr sein. Steht die Welt köpf? Was ist los? Papi und seine Kollegen
suchen wie irre. Und die Terroristen kommen in die Schule. Nein! Ich muß Fieber
haben. Vielleicht kriege ich die Masern zum zweiten Mal.
Die Terroristin blickte an ihr
vorbei in den Raum.
„Rühren Sie das Telefon nicht
an“, warnte sie Ute.
Dann besann sie sich, trat zum
Nachttisch und riß das Telefonkabel aus der Wand. Sie ergriff Utes Krücken,
öffnete das Fenster und warf die Krücken auf den Hof.
„Sie bleiben im Bett. Ich werde
Sie einschließen. Ihr“, wandte sie sich an Weller und Gaby, „kommt mit.“
„Wohin?“ Gaby konnte vor
Empörung kaum sprechen.
„Du hast keine Fragen zu
stellen, kleine Kröte“, sagte die Frau. „Dein Hund bleibt hier. Wie heißt du?“
„Gabriele Glockner.“
„Los, vorwärts!“
Bevor sich die Tür schloß, sah
Gaby das Gesicht der Lehrerin. Es wirkte wie versteinert.
Die Terroristin hatte den
innensteckenden Schlüssel genommen und schloß ab. Mit vorgehaltener Pistole
trieb sie die beiden die Treppe hinunter. Gaby hörte, wie Oskar winselte. Er
wollte zu seinem Frauchen.
Unten stand ein Terrorist mit
Maschinenpistole, ebenfalls maskiert. Er hatte Manfred Franke und Katrin Blank
aus ihren Wohnungen geholt. Fräulein Blank war noch im Morgenmantel und hatte
Seidenpantoffel an den nackten Füßen. Sie wickelte die Arme um sich und
zitterte. Sie war zart und sehr hübsch mit ihrem rötlichen Haar.
Ihrem Kollegen Franke stand ins
Gesicht geschrieben, daß er noch nicht begriff, was hier vorging.
„Sonst ist
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