Das Geisterhaus
müssen. Jede Nacht ging er aus, um im Kasino zu
spielen, und seine Frau schätzte, daß er große Summen
verspielen mußte, denn an jedem Monatsende stand
unweigerlich eine Schlange von Gläubigern vor der Tür. Jean
hatte von Hauswirtschaft eine recht eigentümliche Vorstellung.
Er kaufte sich ein Automobil, letztes Modell, mit vergoldeten
Knöpfen und Sitzen, die mit Leopardenfell überzogen waren,
eines Scheichs würdig, das größte und auffallendste Auto, das
man in dieser Gegend je gesehen hatte. Er knüpfte ein Netz
mysteriöser Verbindungen, die es ihm ermöglichten,
Antiquitäten zu kaufen, speziell französisches Porzellan, für das
er eine Schwäche hatte. Ebenso brachte er Kisten feinsten
Likörs ins Land, die problemlos den Zoll passierten. Seine
Schmuggelwaren kamen durch den Dienstboteneingang ins
Haus und verließen es unangetastet durch den Haupteingang, hin
zu anderen Plätzen, wo Jean sie bei geheimen Gelagen
konsumierte oder zu phantastischen Preisen weiterverkaufte.
Gäste empfingen sie in ihrem Hause nicht, und nach wenigen
Wochen hörten die ortsansässigen Damen auf, Bianca
einzuladen. Das Gerücht lief um, sie sei stolz, hochmütig und
von schlechter Gesundheit, was die allgemeine Sympathie für
den französischen Grafen erhöhte, der bald in dem Ruf stand,
ein geduldiger, leidgeprüfter Ehemann zu sein.
Blanca vertrug sich gut mit ihrem Mann. Zu Diskussionen
kam es zwischen ihnen nur, wenn sie versuchte, in die
häuslichen Finanzen Einblick zu erhalten. Sie konnte sich nicht
erklären, wieso sich Jean den Luxus leistete, teures Porzellan zu
kaufen und in diesem Tigerauto herumzufahren, wenn ihm das
Geld nicht reichte, um die Rechnung im Lebensmittelladen und
die Gehälter der zahlreichen Bediensteten zu bezahlen. Jean
weigerte sich, mit ihr darüber zu sprechen, unter dem Vorwand,
diese Dinge fielen strikt unter die Verantwortung des Mannes
und sie solle sich ihr Spatzenhirn nicht mit Problemen
vollstopfen, die zu begreifen sie nicht fähig sei. Bianca nahm an,
Jean de Satignys Konto bei Esteban sei praktisch unbegrenzt,
und angesichts der Unmöglichkeit, sich mit ihm darüber zu
verständigen, kümmerte sie sich nicht mehr um dieses Problem.
Wie eine Blume aus einem anderen Klima vegetierte sie in
diesem auf den Wüstensand gestellten Haus mit den
sonderbaren Indios, das in einer anderen Dimension zu
existieren schien und in welchem sie oft unvermutet auf kleine
Details stieß, die sie an ihrem Verstand zweifeln ließen. Die
Realität schien ihr außer Kraft gesetzt zu sein, als hätte diese
unerbittliche Sonne, die alle Farben auslaugte, auch die Dinge
um sie herum verformt und die Menschen in schweigende
Schatten verwandelt.
Beschützt von dem kleinen Wesen, das in ihr heranwuchs,
vergaß Bianca in der Schläfrigkeit dieser Monate das Ausmaß
ihres Unglücks. Sie hörte auf, in dieser atemberaubenden
Bedrängnis an Pedro Tercero García zu denken, wie sie es
früher getan hatte, und flüchtete sich in sanfte, farblose
Erinnerungen. Ihre Sinnlichkeit war eingeschlafen, und bei den
seltenen Gelegenheiten, bei denen sie über ihr unglückliches Los
nachdachte, gefiel sie sich in der Vorstellung, auf einem
Nebelstreifen dahinzutreiben, ohne Leid und ohne Freude, fern
den brutalen Dingen des Lebens, isoliert, mit ihrer Tochter als
einziger Gesellschaft. Manchmal dachte sie, sie hätte die
Fähigkeit zu lieben für immer verloren und das Feuer in ihrem
Fleisch sei endgültig erloschen. Sie verbrachte endlose Stunden
in Betrachtung der blassen Landschaft, die sich vor dem Fenster
erstreckte. Das Haus lag am Rand der Stadt, umgeben von ein
paar rachitischen Bäumen, die der unerbittlichen Wüstenglut
widerstanden. Auf der Nordseite vernichtete der Wind jede
Form von Vegetation, man konnte die unermeßliche Ebene der
Sanddünen und die fernen, ihm widerstrahlenden Licht
zitternden Hügel sehen. Tagsüber litt sie unter der Schwüle
dieser bleiernen Sonne, und nachts zitterte sie vor Kälte in ihrem
Bett und mußte sich mit Wärmflaschen und Wollschals gegen
den Frost schützen. Sie blickte in den nackten, reinen Himmel,
nach einer Wolke Ausschau haltend, hoffend, daß irgendwann
einmal ein Tropfen Regen fiele, der die beklemmende
Unwirtlichkeit dieses Mondtales erfrischen würde. Die Monate
liefen unverändert dahin, ohne eine andere Zerstreuung als die
Briefe, in denen ihre Mutter ihr von der politischen Kampagne
ihres Vaters berichtete, von den
Weitere Kostenlose Bücher