Das Geisterhaus
Verrücktheiten ihres Bruders
Nicolas und den Extravaganzen Jaimes, der wie ein Priester
lebte, aber mit verliebten Augen herumlief. In einem ihrer Briefe
schlug Clara vor, sie solle wieder mit ihren Krippenfiguren
anfangen, um ihre Hände zu beschäftigen. Sie versuchte es. Sie
ließ sich die besondere Tonerde kommen, an deren Gebrauch sie
sich in den Drei Marien gewöhnt hatte, richtete sich im hinteren
Teil der Küche eine Werkstatt her und beauftragte einige Indios,
einen Ofen zum Brennen der Figuren zu bauen. Aber Jean de
Satigny spöttelte über ihre künstlerischen Anwandlungen und
meinte, wennschon, dann sollte sie ihre Hände besser damit
beschäftigen, Kinderschühchen zu stricken, oder lernen, wie
man Blätterteiggebäck herstellt. Schließlich gab sie ihre Arbeit
auf, weniger der Sarkasmen ihres Gatten wegen, sondern weil es
ihr unmöglich war, mit der alten indianischen Töpferei zu
konkurrieren.
Jean hatte sein Geschäft mit derselben Beharrlichkeit
aufgebaut, die er früher auf das Chinchillaprojekt verwandt
hatte, aber mit mehr Erfolg. Abgesehen von einem deutschen
Pfarrer, der seit dreißig Jahren durch die Gegend zog, um die
Vergangenheit der Inka auszugraben, hatte sich niemand für
diese Antiquitäten interessiert, weil man sie kommerziell für
wertlos hielt. Die Regierung, die den Handel mit indianischen
Altertümern verbot, hatte dem Geistlichen eine
Sondergenehmigung erteilt, die es ihm erlaubte, wertvolle
Stücke zu restaurieren und ins Museum zu stellen. In den
staubigen Vitrinen dieses Museums sah Jean de Satigny sie zum
erstenmal. Er verbrachte zwei Tage mit dem Pfarrer, der,
glücklich, nach so vielen Jahren einen Menschen gefunden zu
haben, der sich für seine Arbeit interessierte, keine Bedenken
trug, ihm seine ausgedehnten Kenntnisse mitzuteilen. So erfuhr
der Graf, wie sich feststellen läßt, wie viele Jahre sie im Boden
gelegen haben, er lernte Epochen und Stile unterscheiden,
entdeckte, wie man an versteckten, dem zivilisierten Auge
unsichtbaren Merkmalen die Grabhügel in der Wüste erkennen
konnte, und kam endlich zu dem Schluß, daß diese Scherben,
wenn sie auch nicht den goldenen Glanz derer in den
ägyptischen Gräbern hatten, doch ihren historischen Wert
besaßen. Sobald er alle nötigen Informationen beisammen hatte,
organisierte er einen Trupp Indios, damit sie ausbuddelten, was
dem archäologischen Eifer des Pfarrers entgangen war.
Herrliche Gefäße, grün von der Patina der Zeit, gelangten
nach und nach, in Indianerbündeln und Lamataschen versteckt,
ins Haus und stapelten sich an den für sie bestimmten Orten.
Bianca sah sie zu Haufen in den Zimmern und war hingerissen
von ihren Formen. Sie hielt sie in den Händen, streichelte sie
wie hypnotisiert und war betrübt, wenn sie, in Stroh und Papier
verpackt, an ferne, unbekannte Ziele verschickt wurden. Diese
Tongefäße und Tonfiguren erschienen ihr allzu schön. Sie
fühlte, daß ihre Krippenmonstren nicht mit diesen Kunstwerken
unter einem Dach stehen konnten, und deshalb mehr als aus
jedem anderen Grund gab sie ihre Werkstatt auf.
Da die indianischen Tonwaren als historischer Besitz der
ganzen Nation gehörten, mußte der Handel mit ihnen
geheimgehalten werden. Für Jean de Satigny arbeiteten mehrere
Trupps Indios, die auf verschlungenen Pfaden heimlich über die
Grenze gekommen waren. Sie besaßen keine Dokumente, die sie
als Menschen auswiesen, sie waren verschwiegen, ruppig und
undurchdringlich. Sooft Bianca fragte, woher diese Wesen
kämen, die plötzlich in ihrem Patio auftauchten, hieß es, das
seien Vettern derer, die bei Tisch bedienten, und tatsächlich
sahen sich alle ähnlich. Sie blieben nicht lange im Haus. Die
meiste Zeit waren sie in der Wüste, ausgerüstet nur mit einem
Spaten, um den Sand umzugraben, und mit einer Kugel Koka im
Mund, um sich am Leben zu erhalten. Manchmal hatten sie das
Glück, auf die halb verschütteten Ruinen einer alten
Inkasiedlung zu stoßen, und dann füllten sich in kurzer Zeit die
Lager des Hauses mit den bei ihren Ausgrabungen gestohlenen
Funden. Beschaffung, Transport und Vermarktung dieser Waren
gingen in solcher Heimlichkeit vor sich, daß Bianca an der
Illegalität dieser Aktivitäten ihres Mannes keinen Zweifel hatte.
Jean erklärte ihr, die Regierung sei in bezug auf diese morschen
Krüge und schäbigen Steinkettchen aus der Wüste überaus
kitzlig, und um den endlosen Papierkrieg mit der stattlichen
Bürokratie zu
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