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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Jean verschwand im Bad und säumte darin so lange,
daß Bianca halb eingeschlafen war, als er wieder im Zimmer
erschien. Sie glaubte zu träumen, als sie sah, daß ihr Mann
seinen Hochzeitsanzug gegen einen schwarzseidenen Pyjama
und einen pompejanischen Samtschlafrock vertauscht hatte, über
dem Haar ein Netz trug, um die makellosen Wellen seiner Frisur
zu schützen, und intensiv nach englischem Kölnischwasser roch.
Liebende Ungeduld schien ihn nicht umzutreiben. Er setzte sich
neben sie aufs Bett, streichelte ihre Wange in derselben ein
wenig spöttischen Art, die sie von anderen Gelegenheiten an
ihm kannte, und erklärte ihr in seinem gezierten, r-losen
Spanisch, daß er keine besondere Neigung zur Ehe verspüre, daß
er vielmehr ein in die Künste, in die Literatur und in
wissenschaftliche Kuriositäten verliebter Mann sei, der sie
demzufolge nicht mit den Zudringlichkeiten eines Ehemannes
belästigen wolle, so daß sie also, wenngleich nicht als Paar, so
doch in vollkommener Harmonie und Wohlerzogenheit
zusammenleben könnten. Erleichtert warf ihm Bianca die Arme
um den Hals und küßte ihn auf die Wange.
    »Danke, Jean«, rief sie.
»Keine Ursache«, erwiderte er höflich.
Sie installierten sich in dem Pseudoempirebett,
    kommentierten das Fest in allen Einzelheiten und machten Pläne
für ihr zukünftiges Leben. »Interessiert es dich nicht zu erfahren,
wer der Vater deines Kindes ist«, fragte Bianca.
»Der bin ich«, antwortete Jean, sie auf die Stirn küssend.
Sie schliefen, jeder auf seiner Seite, sich den Rücken kehrend.
    Um fünf Uhr früh wachte Bianca auf, weil ihr Magen gegen den
süßlichen Duft der Blumen rebellierte, mit denen
Esteban
Trueba das Brautzimmer hatte schmücken lassen. Jean de
Satigny begleitete sie ins Bad, hielt ihr die Stirn, während sie
sich über das Klobecken beugte, half ihr, sich wieder
hinzulegen, und trug die Blumen auf den Gang. Die restliche
Nacht wachte er, in der »Philosophie dans le boudoir« des
Marquis de Sade lesend, und Bianca dachte, im Halbschlaf
seufzend, wie fabelhaft es war, mit einem Intellektuellen
verheiratet zu sein.
    Am nächsten Tag ging Jean auf die Bank, um einen Scheck
seines Schwiegervaters einzulösen, und verbrachte fast den
ganzen Tag damit, in der Innenstadt von einem Laden zum
ändern zu laufen, um sich eine Bräutigamsausstattung zu
kaufen, die seiner neuen wirtschaftlichen Lage angemessen war.
Mittlerweile beschloß Bianca, die es müde war, in der
Hotelhalle auf ihn zu warten, ihre Mutter zu besuchen. Sie setzte
ihren besten Morgenhut auf und fuhr in einem Mietauto zum
großen Eckhaus, wo die übrige Familie schweigend beim
Frühstück saß, müde noch und gereizt von den Aufregungen bei
der Hochzeit und dem Bodensatz der letzten Streitigkeiten. Ihr
Vater stieß einen Schreckensschrei aus, als er sie ins Eßzimmer
treten sah.
»Was tun Sie hier, Bianca?« brüllte er.
    »Nichts… ich komme euch besuchen«, hauchte Bianca
unerschrocken.
»Sind Sie wahnsinnig? Ist Ihnen nicht klar, daß, wenn jemand
Sie sieht, es sofort heißen wird, Ihr Mann hätte Sie in der
Hochzeitsnacht zurückgeschickt? Die Leute werden sagen, Sie
wären keine Jungfrau gewesen.«
»Ich war’s ja auch nicht, Papa.«
Esteban war nahe daran, sie kreuzweise zu ohrfeigen, aber
Jaime stellte sich mit solcher Entschlossenheit vor sie, daß er
sich damit beschied, sie wegen ihrer Blödheit zu beschimpfen.
Clara, ungerührt, zog Bianca auf einen Stuhl und reichte ihr
einen Teller kalten Fisch mit Kapernsauce. Während Esteban
fortfuhr zu schreien und Nicolas den Wagen aus der Garage
holte, um Bianca zu ihrem Mann zurückzufahren, tuschelten die
beiden Frauen wie in alten Zeiten.
Noch am selben Nachmittag bestiegen Bianca und Jean den
Zug, der sie zum Hafen brachte. Dort schifften sie sich auf
einem englischen Überseedampfer ein. Jean trug weiße
Leinenhosen und ein blaues Jackett im Schnitt eines
Marineuniformrocks, das perfekt mit dem blauen Rock und der
weißen Jacke des Schneiderkostüms seiner Frau kombinierte.
Vier Tage später setzte das Schiff sie in der hintersten
Nordprovinz ab, wo sein eleganter Reiseanzug und seine
Krokodillederkoffer in der trockenen, mittäglich schwülen Hitze
gänzlich unbemerkt blieben. Jean de Satigny brachte seine Frau
vorübergehend in einem Hotel unter und begab sich auf die
Suche nach einer Wohnung, die seiner neuen Einkünfte würdig
war. Binnen vierundzwanzig Stunden war die

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