Das Geisterhaus
geblendet und beschloß
im selben Augenblick, daß sie als einzige würdig war, meine
Gattin zu werden, und daß ich Junggeselle bleiben würde, wenn
ich sie nicht bekommen konnte. Ich folgte ihr auf dem ganzen
Heimweg. Ich stieg in dieselbe Trambahn und setzte mich hinter
sie und konnte den Blick nicht von ihrem vollkommenen
Nacken wenden, dem runden Hals, den sanften Schultern, über
die einige aus der Frisur gelöste Löckchen zu streicheln
schienen. Ich spürte nicht das Rattern der Trambahn, ich war
wie im Traum. Plötzlich glitt sie auf den Gang, und im
Vorbeigehen richtete sie für einen winzigen Augenblick ihre
überraschend goldfarbenen Pupillen auf mich. Ich muß ein
wenig gestorben sein. Ich konnte nicht atmen, mein Herz stand
still. Als ich mich wieder gefaßt hatte, mußte ich, auf die Gefahr
hin, mir die Knochen zu brechen, aus der Trambahn springen
und zu der Straße laufen, in die sie eingebogen war. Daran, daß
ich einen fliederfarbenen Fleck in ein Portal verschwinden sah,
erriet ich, wo sie wohnte. Von diesem Tag an hielt ich vor ihrem
Haus Wache, wie ein herrenloser Hund schlich ich im Viertel
herum, bestach den Gärtner, knüpfte mit den Dienstmädchen
Gespräche an, bis ich es schaffte, mit der Nana zu reden, und
sie, die heilige Frau, sich meiner erbarmte und sich bereit
erklärte, Rosa die Liebesbriefe, die Blumen, die ungezählten
Schachteln Anisbonbons zu überbringen, mit denen ich ihr Herz
zu gewinnen versuchte. Auch Akrostichons schickte ich ihr. Ich
kann keine Verse schreiben, aber ich kannte einen spanischen
Buchhändler, ein wahres Reimgenie: bei ihm bestellte ich
Gedichte, Lieder, was immer, sofern nur Papier und Tinte der
Rohstoff waren. Meine Schwester Férula half mir, an die
Familie del Valle heranzukommen: sie war es, die eine entfernte
Verwandtschaft zwischen unseren Familien entdeckte und den
geeigneten Moment - nach der Messe, beim Verlassen der
Kirche - zu einer ersten Begrüßung fand. An dem Tag, an dem
ich ihr Haus betrat und sie in Reichweite meiner Stimme hatte,
fiel mir nichts ein, was ich ihr hätte sagen können. Stumm stand
ich da, den Hut in der Hand und mit offenem Mund, bis ihre
Eltern, die das Symptom kannten, mir zu Hilfe kamen. Ich weiß
nicht, was Rosa an mir fand und warum sie mich mit der Zeit als
Gatten akzeptierte. Ich wurde ihr offizieller Bräutigam, ohne
irgendwelche übernatürliche Heldentaten vollbringen zu
müssen, denn trotz ihrer unmenschlichen Schönheit und ihrer
ungezählten Tugenden hatte Rosa keine Bewerber. Ihre Mutter
gab mir die Erklärung dafür. Kein Mann, sagte sie, fühle sich
stark genug, sein Leben lang Rosa gegen die Begehrlichkeit der
anderen Männer zu verteidigen. Viele seien um sie
herumgeschlichen und hätten ihretwegen den Verstand verloren,
aber ehe ich am Horizont aufgetaucht sei, habe sich keiner
entschlossen. Ihre Schönheit schüchtere ein, deshalb
bewunderten die Männer sie von ferne, ohne näherzukommen.
Daran, ehrlich gesagt, hatte ich nicht gedacht. Mein Problem
war, daß ich keinen Peso besaß. Aber ich hielt mich für fähig,
durch die Kraft der Liebe ein reicher Mann zu werden. Ich sah
mich nach einem Weg um, der mich in den Grenzen der
Anständigkeit, zu der ich erzogen war, rasch zum Ziel führen
konnte, und sah, daß ich Beziehungen, ein Fachstudium oder ein
Kapital gebraucht hätte. Einen angesehenen Namen zu haben
reichte nicht aus. Hätte ich das Geld für die Anfangseinsätze
gehabt, hätte ich vermutlich auf Würfelspiele oder auf Pferde
gewettet; da ich es nicht hatte, mußte ich an eine Arbeit denken,
durch die ich rasch zu Geld kommen konnte, und sei sie noch so
riskant. Gold- und Silberminen waren der Traum eines jeden
Abenteurers. Sie konnten einen ins Elend stürzen, an
Tuberkulose sterben lassen oder zum mächtigen Mann machen.
Es war Glückssache. Aufgrund des guten Rufs, in dem der
Name meiner Mutter stand, erhielt ich eine Konzession auf eine
Mine im Norden, und dies wieder bewog eine Bank, mir Kredit
zu geben. Ich hatte den festen Vorsatz, auch das letzte Gramm
des edlen Metalls aus der Mine herauszuholen, und wenn ich
den Berg mit den Händen umgraben und das Gestein mit
Fußtritten zermahlen müßte. Für Rosa hätte ich das und noch
mehr getan.
Ende Oktober, als die Familie bezüglich der Absichten Pater
Restrepos beruhigt war, der seine Berufung zum Inquisitor hatte
bezähmen müssen, nachdem der Bischof persönlich ihn ermahnt
hatte,
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