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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Zerstreuung als
einige oft gelesene Bücher, einen Packen alter Zeitungen, ein
paar englische Texte, an denen ich die Grundzüge dieser
herrlichen Sprache erlernte, und ein verschließbares Kästchen,
in dem ich meine Korrespondenz mit Rosa aufhob. Ich hatte mir
angewöhnt, ihr auf der Maschine zu schreiben und einen
Durchschlag für mich zu behalten, den ich, nach dem Datum
eingeordnet, zwischen die wenigen Briefe legte, die ich von ihr
erhielt. Ich aß das gleiche Essen wie die Arbeiter, für die
gekocht wurde, und ich hatte verboten, daß Schnaps in die Mine
gebracht wurde. Auch ich hatte keinen in meinem Haus, weil ich
immer der Meinung war, daß Einsamkeit und Langeweile einen
Mann zum Alkoholiker machen. Kann sein, daß mich die
Erinnerung an meinen Vater mit seinem offenen Hemdkragen,
der lose hängenden, fleckigen Krawatte, den trüben Augen und
dem schweren Atem zum Abstinenzler gemacht hat. Mein Kopf
taugt nicht zum Trinken, ich werde leicht besoffen. Das habe ich
mit sechzehn entdeckt und nie mehr vergessen. Meine Enkelin
hat mich einmal gefragt, wie ich es ausgehalten habe, so lange
allein und fern von aller Zivilisation zu leben. Ich weiß es nicht.
Aber in Wirklichkeit muß es für mich leichter zu ertragen
gewesen sein als für andere, weil ich kein geselliger Mensch
bin, ich habe wenig Freunde und mag keine Feste und Feiern, im
Gegenteil, allein fühle ich mich wohler. Es fällt mir schwer, mit
anderen Menschen warm zu werden. Damals hatte ich noch nie
mit einer Frau zusammengelebt, also konnte ich auch nicht
vermissen, was ich nicht kannte. Ich habe mich nicht leicht
verliebt, nie, ich bin von Natur aus treu, obwohl ich nur den
Schatten eines Arms, den Schwung einer Hüfte, die Kniekehle
einer Frau zu sehen brauche, und schon komme ich auf
Gedanken, noch heute, wo ich schon so alt bin, daß ich mich
kaum mehr wiedererkenne, wenn ich in den Spiegel schaue. Ich
sehe wie ein krumm gewordener Baum aus. Ich will mich nicht
mit dem Märchen aus meinen Jugendsünden herausreden, ich
hätte den Drang des Begehrens nicht unter Kontrolle halten
können, keine Rede davon. Damals war ich an den folgenlosen
Umgang mit leichten Frauen gewöhnt, andere Möglichkeiten
gab es nicht. Wir in meiner Generation unterschieden zwischen
den anständigen Frauen und den anderen, und auch die
anständigen unterteilten wir noch in die eigene und die der
anderen. An Liebe dachte ich gar nicht, ehe ich Rosa
kennenlernte, und romantisches Schmachten erschien mir
gefährlich und nutzlos. Wenn mir einmal ein junges Mädchen
gefiel, traute ich mich nicht an sie heran, aus Angst, abgewiesen
zu werden und lächerlich zu erscheinen. Ich war sehr stolz.
Unter meinem Stolz habe ich mehr gelitten als andere.
    Über ein halbes Jahrhundert ist inzwischen vergangen, aber
der Augenblick, in dem Rosa die Schöne wie ein zerstreuter
Engel in mein Leben trat und mir im Vorbeigehen die Seele
stahl, ist tief in mein Gedächtnis eingegraben. Sie ging mit der
Nana und einem anderen Mädchen, wahrscheinlich einer
jüngeren Schwester. Ich glaube, sie trug ein fliederfarbenes
Kleid, aber sicher weiß ich es nicht, weil ich für Frauenkleider
kein Auge habe und weil sie so schön war, daß ich, selbst wenn
sie ein Hermelincape getragen hätte, doch nur ihr Gesicht hätte
anschauen können. Ich gehöre nicht zu denen, die auf der Straße
nur die Frauen sehen, aber ich hätte ein Brett vorm Kopf haben
müssen, um diese Erscheinung nicht zu sehen, die Aufruhr
hervorrief, wo sie ging und stand, und den Verkehr blockierte
mit diesem unglaublich grünen Haar, das wie ein Phantasiehut
ihr Gesicht einrahmte, und mit ihrem Feengang, dieser Art sich
zu bewegen, als ob sie schwebte. Sie ging an mir vorbei, ohne
mich anzusehen, und betrat schwebend die Konditorei an der
Plaza de Armas. Ich blieb wie betäubt draußen auf der Straße,
während sie drinnen Anisbonbons kaufte, die sie eigenhändig
aussuchte und unter Glöckchengelächter einen sich selbst, den
anderen der Schwester in den Mund warf. Nicht nur ich war
hypnotisiert, innerhalb weniger Minuten bildete sich ein Kreis
von Männern, die durchs Schaufenster starrten. Da reagierte ich.
Der Gedanke kam mir erst gar nicht, daß ich nicht im
entferntesten der ideale Bewerber für dieses himmlische
Mädchen war, da ich kein Vermögen hatte, nicht einmal ein
hübscher Bursche war und meine Zukunft im Ungewissen lag.
Und ich kannte sie nicht! Aber ich war

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