Das Geisterhaus
bei seinen beiden Söhnen damit erzielt hatte,
nach wie vor für die beste hielt. Bianca war einverstanden, weil
sie begriff, daß eine günstige Konstellation der Planeten allein
nicht dazu ausreichte, daß Alba im Leben vorankam. Im College
lernte Alba, in Wasser gekochtes Gemüse und verbrannten Reis
zu essen, die Kälte im Hof zu ertragen, Hymnen zu singen und
jedweder Eitelkeit der Welt zu entsagen, die sportliche
ausgenommen. Man brachte ihr bei, die Bibel zu lesen, Tennis
zu spielen und Maschine zu schreiben. Das letztere war das
einzig Nützliche, was ihr die langen fremdsprachigen Jahre
einbrachten. Alba, die herangewachsen war, ohne je von Sünde
oder von dem Benehmen einer höheren Tochter sprechen zu
hören, die die Grenze zwischen dem Menschlichen und dem
Göttlichen, dem Möglichen und dem Unmöglichen nicht kannte,
die den einen Onkel nackt Karatesprünge auf dem Gang
vollführen sah und den anderen unter einem Bücherberg
begraben, die ihren Großvater mit dem Stock Telefone und
Blumentöpfe zertrümmern, ihre Mutter sich mit dem
Clownsköfferchen aus dem Haus stehlen und ihre Großmutter
den dreibeinigen Tisch rücken und bei ungeöffnetem Klavier
Chopin spielen sah, erschien die Schulroutine unerträglich. Sie
langweilte sich in den Unterrichtsstunden. In den Pausen setzte
sie sich in den entlegensten und verstecktesten Winkel des Hofs,
um nicht gesehen zu werden, zitternd vor Verlangen, daß sie
zum Spielen aufgefordert würde, und gleichzeitig betend, daß
niemand sie bemerke. Ihre Mutter schärfte ihr ein, sie solle nicht
versuchen, ihren Kameradinnen zu erzählen, was sie in den
medizinischen Büchern ihres Onkels
Jaime über die
menschliche Natur gelesen hatte, und sich auch nicht vor der
Lehrerin über die Vorzüge des Esperanto gegenüber dem
Englischen auszulassen. Ungeachtet dieser
Vorsichtsmaßnahmen fand die Direktorin der Anstalt schon in
den ersten Tage n mühelos die Extravaganzen der neuen
Schülerin heraus. Sie beobachtete sie zwei Wochen lang, und als
sie ihrer Diagnose sicher war, bestellte sie Bianca Trueba in ihr
Büro und erklärte ihr in höflichster Form, das kleine Mädchen
entziehe sich gänzlich den üblichen Grenzen britischer
Erziehung. Sie schlug vor, sie lieber in eine von spanischen
Nonnen geleitete Schule zu schicken, wo sie vielleicht ihre
ausgefallenen Phantasien bezähmen und ihren Mangel an
Gemeinschaftssinn überwinden könne. Doch Senator Trueba
war nicht bereit, sich von irgendeiner Miß Saint John ins
Bockshorn jagen zu lassen, und machte das ganze Gewicht
seines Einflusses geltend, damit seine Enkelin nicht von der
Schule verwiesen wurde. Er wollte um jeden Preis, daß sie
Englisch lernte. Er war überzeugt von der Überlegenheit des
Englischen gegenüber dem Spanischen, das er als ein Idiom
zweiter Klasse betrachtete, geeignet für häusliche
Angelegenheiten und Magie, unkontrollierte Leidenschaften und
nutzlose Unternehmungen, aber unzulänglich für die Welt der
Wissenschaft und der Technik, in der er Alba triumphieren zu
sehen hoffte. Von der Woge der neuen Zeit überrollt, hatte er
sich endlich zu der Meinung durchgerungen, daß manche Frauen
nicht gänzlich idiotisch seien, und dachte, daß Alba, die seiner
Ansicht nach zu unansehnlich war, um sich einen gutsituierten
Gatten zu angeln, einen Beruf erlernen und sich wie ein Mann
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen könnte. In diesem Punkt
unterstützte Bianca ihren Vater, weil sie die Auswirkungen einer
schlechten Schulbildung im Lebenskampf am eigenen Leibe
erfahren hatte.
»Ich will nicht, daß du einmal so arm wie ich und ganz von
einem Mann abhängig bist, der dich ernährt«, sagte sie, sooft sie
ihre Tochter weinen sah, weil sie nicht mehr in die Schule gehen
wollte.
Sie nahmen sie nicht aus der Schule, und sie mußte zehn
ununterbrochene Jahre lang darin ausharren.
Für Alba war die einzige Person auf diesem treibenden Schiff,
in das sich das große Eckhaus nach dem Tode Claras verwandelt
hatte, ihre Mutter. Bianca kämpfte mit dem Todesmut einer
Löwin gegen den Niedergang und den Verfall, aber es lag auf
der Hand, daß sie diesen Kampf gegen den fortschreitenden
Ruin verlieren würde. Senator Trueba lebte weiter im Haus,
hörte aber auf, seine Freunde und politischen Bekannten
einzuladen, er schloß die Salons und bewohnte nur noch die
Bibliothek und sein Schlafzimmer. Er war blind und taub gegen
die Bedürfnisse seines Heims. Stark beschäftigt in Politik
Weitere Kostenlose Bücher