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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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sei, sondern im Gegenteil ein
Werk der guten Laune Gottes, und daß es also töricht sei, sie
ernst zu nehmen, wo doch Er selbst es nicht tat. Alba bemerkte
den Verfall schon in den ersten Tagen. Langsam, aber
unerbittlich sah sie ihn fortschreiten. Früher als irgend jemand
nahm sie ihn an den Blumen wahr, die in den Vasen welkten,
einen ekelerregenden süßlichen Duft verbreitend, und in den
Vasen blieben, bis sie vertrockneten, entblätterten, umfielen und
nur noch ein paar modrige Stengel waren, die erst viel später
entfernt wurden. Alba schnitt keine Blumen mehr, um das Haus
zu schmücken. Danach starben die Pflanzen, weil keiner daran
dachte, sie zu gießen und mit ihnen zu sprechen, wie Clara es
getan hatte. Die Katzen verschwanden still, wie sie gekommen
waren, oder warfen ihre Jungen auf den Dächern.
Esteban
Trueba legte schwarze Kleider an und vollzog in einer Nacht
den Übergang aus der drahtigen Reife eines gesunden Mannes in
eine beginnende, gebückte, stammelnde Greisenhaftigkeit, der
allerdings die Kraft, eine Milderung seines Zorns
herbeizuführen, nicht innewohnte. Das strenge Schwarz behielt
er für den Rest seines Lebens bei, auch dann noch, als dieser
Brauch aus der Mode kam und niemand mehr Trauer trug, außer
den Armen, die sich ein schwarzes Band an den Ärmel hefteten,
wenn einer ihrer Angehörigen starb. Er trug von nun an ein
Wildledertäschchen auf der Brust, das unter dem Hemd an einer
dünnen Goldkette hing. Darin waren die falschen Zähne seiner
Frau, die für ihn die Bedeutung von Glück und von Sühne
hatten. Alle in der Familie fühlten, daß sie ohne Clara keinen
Grund mehr hatten, zusammenzuleben: sie hatten sich fast nichts
mehr zu sagen. Trueba war sich bewußt, daß die Anwesenheit
seiner Enkelin das einzige war, was ihn noch in seinem Haus
zurückhielt.
    Im Verlauf der folgenden Jahre verwandelte sich das Haus in
eine Ruine. Niemand mehr kümmerte sich um den Garten, der
nicht mehr gegossen und gejätet wurde, bis er vom Vergessen,
den Vögeln und dem Unkraut aufgeschluckt zu sein schien. Der
geometrische Park, den Trueba nach den Grundrissen
französischer Schloßgärten hatte anlegen lassen, vertrocknete,
verfaulte und verwilderte ebenso wie die verwunschene Zone
hinter dem Haus, über deren Uno rdnung und Fülle,
Blumenüppigkeit und Philodendronchaos Clara geherrscht hatte.
Die blinden Statuen und die singenden Brunnen bedeckten sich
mit dürrem Laub und Vogelkot und Moos. Die Lauben,
zerbrochen und schmutzig, dienten dem Ungeziefer als
Zufluchtsort und den Nachbarn als Schuttabladeplatz. Wie ein
aufgegebenes Dorf wurde der Park von Gestrüpp überwuchert,
in dem man sich kaum vorwärts bewegen konnte, ohne sich mit
der Machete eine Bahn zu schlagen. Die Hecken, die früher
nach barocken Vorbildern beschnitten wurden, endeten trostlos,
unförmig, von Schnecken und Pflanzenkrankheiten befallen. In
den Salons lösten sich nach und nach die Vorhänge aus den
Ringen und hingen verstaubt und verblichen herunter wie
Unterröcke alter Frauen. Die Sitzmöbel, auf denen Alba
herumturnte, wenn sie Häuschen und Schützengraben in ihnen
spielte, verwandelten sich in Leichen, denen die Sprungfedern
aus dem Bauch standen, und der große Gobelin im Salon verlor,
als Zielscheibe für
Nicolas’ und seiner Nichte Pfeile, die
makellose Unerschrockenheit einer bukolischen Szene a la
Versailles. Die Küche überzog sich mit Fett und Ruß, füllte sich
an mit leeren Büchsen und Stapeln von Zeitungen und lieferte
nicht mehr wie früher die großen Schüsseln voll Karamelmilch
und die duftenden Fleischgerichte. Die Hausbewohner fanden
sich damit ab, beinahe täglich Kichererbsen und Milchreis zu
essen, weil keiner es mit dem Aufmarsch warzenbewehrter,
grimmiger und despotischer Köchinnen aufzunehmen wagte, die
nacheinander über die vom schlechten Gebrauch schwarz
gewordenen Töpfe regierten. Erdbeben, das Türenknallen und
die Stockschwünge Esteban Truebas hinterließen Risse in den
Wänden und zersplitterten die Türen, die Jalousien sprangen aus
den Rahmen, und niemand ergriff die Initiative, sie reparieren zu
lassen. Die Wasserhähne begannen zu tropfen, die Wasserrohre
leck zu werden, die Dachziegel zu brechen, und an den Wänden
erschienen grünliche Feuchtigkeitsflecken. Nur Claras mit
blauer Seide tapeziertes Zimmer blieb unversehrt. Dort
überlebten, wie sie waren, die Möbel aus hellem Holz, zwei
weiße Baumwollkleider, das

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