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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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sie noch einmal das von innen strahlende Licht
zurück, das sie in ihrer Jugend gehabt hatte, und für eine Zeit
hatte sie das Gefühl, glücklich zu sein. Sie trug eine blaue
Schürze und Gummischuhe, aber Jaime war es, als klingelten
wie früher ihre Armbänder, wenn sie vorüberging. Er fühlte sich
begleitet und hätte gewünscht, sie zu lieben. Der Präsident trat
fast jede Nacht im Fernsehen auf, um den gnadenlosen Krieg der
Opposition anzuprangern. Er war übermüdet, oft brach seine
Stimme. Dann hieß es, er sei betrunken, er verbringe die Nächte
bei Orgien mit Mulattinnen, die mit dem Flugzeug aus
tropischen Regionen hergeschafft würden, damit sie seine
Knochen wärmten. Er wies darauf hin, daß die streikenden
Lastwagenfahrer täglich fünfzig Dollar aus dem Ausland
erhielten, damit sie das Land lahmlegten. Die anderen konterten,
er bekäme per Diplomatenkoffer Kokoseis und sowjetische
Waffen geschickt. Er sagte, seine Feinde komplottierten mit den
Militärs, um einen Putsch vorzubereiten, weil sie die
Demokratie lieber tot als von ihm regiert wüßten. Sie
beschuldigten ihn, paranoide Schwindelgeschichten in die Welt
zu setzen und Gemälde aus dem Nationalmuseum zu stehlen,
um sie seinen Geliebten ins Zimmer zu hängen. Er warnte, daß
die Rechte sich bewaffnet habe und entschlossen sei, das
Vaterland an den Imperialismus zu verkaufen, und sie
erwiderten, daß seine Speisekammer vollgestopft sei mit
Hühnerbrüsten, während das Volk nach Hals und Flügeln
derselben Vögel Schlange stünde.
An dem Tag, an dem Luisa Mora an der Tür des großen
Eckhauses klingelte, saß Senator Trueba in seiner Bibliothek,
um nachzudenken. Luisa war die letzte der Schwestern Mora,
die noch auf Erden weilte. Sie war auf die Größe eines verirrten
Engels geschrumpft, aber geistig noch klar und im Vollbesitz
ihrer unerschütterlichen mentalen Kräfte. Esteban Trueba hatte
sie seit Claras Tod nicht mehr gesehen, erkannte sie jedoch an
der Stimme, die immer noch wie eine Zauberflöte klang, und an
dem Duft von wilden Veilchen, den die Zeit gemildert hatte, der
aber immer noch von weitem zu spüren war. Als sie das Zimmer
betrat, kam mit ihr die geflügelte Anwesenheit Claras,
schwebend vor den verliebten Augen ihres Mannes, der sie seit
mehreren Tagen nicht gesehen hatte.
»Ich komme, um Ihnen Unglück anzukündigen«, sagte sie,
nachdem sie im Sessel Platz genommnen hatte.
»Ach, liebe
Luisa! Davon haben wir mehr als genug…«
seufzte er.
Luisa berichtete, was sie in den Planeten entdeckt hatte. Sie
mußte erst die von ihr angewandten wissenschaftlichen
Methoden erklären, um den pragmatischen Widerstand des
Senators zu überwinden. Sie sagte, sie habe die letzten zehn
Monate damit zugebracht, die Sternkarten aller wichtigen
Persönlichkeiten in der Regierung und in der Opposition zu
studieren, auch die von Trueba. Ein Vergleich der Sternkarten
habe gezeigt, daß es in diesem historischen Augenblick zu
unvermeidbaren Bluttaten, zu Schmerz und Tod kommen werde.
»Ich bin mir meiner Sache ganz sicher, Esteban«, schloß sie.
»Schreckliche Zeiten kommen auf uns zu. Es wird so viele Tote
geben, daß man sie nicht wird zählen können. Sie, Esteban,
werden auf der Seite der Sieger stehen, aber der Triumph wird
Ihnen nichts als Leid und Einsamkeit bringen.«
Esteban Trueba fühlte sich ungemütlich angesichts dieser
sonderbaren Pythia, deren astrologisches Gefasel den Frieden
seiner Bibliothek störte und sich ihm auf die Leber schlug, aber
Claras wegen, die er aus den Augenwinkeln beobachtete, konnte
er sich nicht dazu entschließen, sie zu verabschieden.
»Ich bin aber nicht gekommen, um Sie mit Nachrichten über
Dinge zu belästigen, die nicht in Ihrer Macht stehen, Esteban.
Ich bin gekommen, um mit Ihrer Enkelin Alba zu sprechen, weil
ich eine Botschaft von ihrer Großmutter für sie habe.«
Senator Trueba rief Alba. Das junge Mädchen hatte Luisa
Mora seit ihrem siebten Jahr nicht mehr gesehen, erinnerte sich
ihrer jedoch genau. Sie umarmte sie, vorsichtig, um ihre zarten
Elfenbeinknochen nicht zu beschädigen, und atmete gierig den
unverwechselbaren Duft.
»Ich bin gekommen, um dir zu sagen, daß du gut auf dich
aufpassen sollst«, sagte Luisa Mora, nachdem sie sich die
Rührungstränen abgewischt hatte. »Der Tod ist dir auf den
Fersen. Deine Großmutter Clara beschützt dich aus dem
Jenseits, aber sie hat mir aufgetragen, dir zu sagen, daß die
Schutzgeister gegen Katastrophen größeren Ausmaßes

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