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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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schlugen auf sie ein,
bis sie auf der Straße waren. Dort befahlen sie ihnen, sich mit
dem Gesicht nach unten auf den Boden zu legen, traten sie und
beschimpften sie, bis ihnen die Schimpfwörter der kastilischen
Sprache ausgingen, dann gaben sie einem Panzer ein Zeichen.
Die Gefangenen hörten ihn anrollen, der Asphalt dröhnte unter
dem Gewicht des unbezwingbaren Dickhäuters.
»Platz da, wir werden mit dem Panzer über die
Schlappschwänze fahren«, schrie ein Oberst.
    Jaime spähte vom Boden aus zu ihm hin und glaubte ihn zu
erkennen, er erinnerte ihn an einen Jungen, mit dem er als junger
Mann auf den Drei Marien gespielt hatte. Rasselnd fuhr der
Panzer zehn Zentimeter an ihren Köpfen vorbei, unter dem
schallenden Gelächter der Soldaten und den heule nden Sirenen
der Feuerwehr. In der Ferne hörte man das Dröhnen der
Kampfflugzeuge. Eine Weile danach wurden die Gefangenen je
nach ihrer Schuld in Gruppen eingeteilt. Jaime wurde in das
Verteidigungsministerium gebracht, das zur Kaserne
umfunktioniert worden war. Sie zwangen ihn, gebückt zu gehen,
als wäre er in einem Schützengraben, sie führten ihn durch einen
großen Saal voll von nackten Männern, die in Zehnerreihen
aneinandergebunden waren, die Hände auf den Rücken gefesselt
und so verprügelt, daß manche nicht mehr stehen konnten und
Blut in dünnen Fäden über den Marmorboden lief. Sie führten
Jaime in den Kesselraum, in dem andere Menschen an der Wand
standen, bewacht von einem fahlbleichen Soldaten, der, das
Maschinengewehr im Anschlag, auf und ab ging. Dort stand er
lange, regungslos, sich wie ein Schlafwandler auf den Füßen
haltend, ohne zu begreifen, was hier geschah, und gefoltert von
den Schreien, die er durch die Wand hörte. Er bemerkte, daß der
Soldat ihn beobachtete. Kurz darauf senkte dieser die Waffe und
trat zu ihm.
    »Setzen Sie sich und ruhen Sie sich aus, Doktor, aber stehen
Sie sofort auf, wenn ich Ihnen Bescheid gebe«, sagte er
flüsternd und reichte ihm eine brennende Zigarette. »Sie haben
meine Mutter operiert und ihr das Leben gerettet.«
    Jaime, der sonst nicht rauchte, kostete diese Zigarette,
langsam den Rauch einatmend. Seine Uhr war kaputt, aber aus
seinem Hunger und Durst schloß er, daß es Nacht sein mußte. Er
war so müde und fühlte sich so elend in seinen durchweichten
Hosen, daß er sich gar nicht fragte, was mit ihm geschehen
würde. Er begann einzunicken, als der Soldat zu ihm kam.
    »Stehen Sie auf, Doktor«, flüsterte er. »Sie kommen Sie
holen. Viel Glück.«
Gleich darauf betraten zwei Männer den Raum, legten ihm
Handschellen an und führten ihn einem Offizier vor, der mit
dem Verhör der Gefangenen beauftragt war. Jaime hatte ihn
einige Male in Begleitung des Präsidenten gesehen.
»Wir wissen, daß Sie mit dem hier nichts zu tun haben,
Doktor«, sagte er. »Wir wollen nur, daß Sie vor dem Fernsehen
aussagen, der Präsident sei betrunken gewesen und habe sich
selbst das Leben genommen. Dann lasse ich Sie nach Hause
gehen.«
»Geben Sie selbst diese Erklärung ab. Mit mir könnt ihr nicht
rechnen, ihr Hundsfotte.«
Sie packten ihn an den Armen. Der erste Schlag traf ihn in
den Magen. Dann hoben sie ihn auf, legten ihn flach auf einen
Tisch, und er spürte, daß sie ihm die Kleider auszogen. Lange
danach schafften sie ihn bewußtlos aus dem
Verteidigungsministerium. Es hatte zu regnen begonnen, und
das frische Wasser und die Luft brachten ihn zu sich. Er wachte
auf, als sie ihn in einen Heeresautobus hoben und auf den letzten
Sitz legten. Durch die Fenster sah er die Nacht, und als das
Fahrzeug losfuhr, konnte er die leeren Straßen und die
beflaggten Gebäude sehen. Er begriff, daß die Feinde gewonnen
hatten, und dachte wahrscheinlich an Miguel. Der Bus hielt im
Hof eines Regimentsgebäudes, sie luden ihn aus. Andere
Gefangene waren da, in ebenso elendem Zustand wie er. Sie
banden ihnen Hände und Füße mit Stacheldraht zusammen und
warfen sie, das Gesicht nach unten, in die Pferdeboxen. Hier
verbrachten Jaime und die anderen zwei Tage ohne Wasser und
ohne Nahrung, faulend in ihren Exkrementen, ihrem Blut und
ihrem Entsetzen. Danach wurden alle auf einen Lastwagen
geladen, der sie in die Nähe des Flughafens brachte. Auf einem
freien Gelände erschossen sie die Gefangenen, die auf dem
Boden lagen, weil sie nicht mehr stehen konnten, und
vernichteten die Leichen mit Dynamit. Das Nachzittern der
Explosion und der Gestank der Überreste hingen noch

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