Das Geisterhaus
weiter. Sie öffnete die Tür, ohne anzuklopfen, und
betrat das Büro Pedro Terceros, den sie zwei Jahre lang nicht
mehr gesehen hatte. Sie wäre beinahe wieder umgekehrt, weil
sie glaubte, sich geirrt zu haben. In dieser kurzen Zeit war der
Mann ihres Lebens mager und alt geworden, er wirkte müde und
traurig, das Haar war noch schwarz, aber dünner und kürzer, er
hatte seinen schönen Bart abgeschnitten und trug einen grauen
Beamtenanzug mit einer welken Krawatte von gleicher Farbe.
Nur an dem Blick seiner altersweisen schwarzen Augen
erkannte ihn Bianca.
»Jesus! Wie du dich verändert hast…«, stammelte sie.
Pedro Tercero erschien sie schöner, als er sie in Erinnerung
hatte, so als hätte seine Abwesenheit sie verjüngt. Er hatte
inzwischen Zeit gehabt, seinen Entschluß zu bereuen und zu
entdecken, daß er ohne Bianca sogar den Geschmack an den
jungen Mädchen verloren hatte, die ihn früher begeisterten.
Überdies hatte er bei täglich zwölf Stunden Arbeit an seinem
Schreibtisch, fern der Gitarre und dem Kontakt mit dem Volk,
selten genug Gelegenheit, sich glücklich zu fühlen. In dem
gleichen Maß, in dem die Zeit verging, vermißte er die ruhige
und gelassene Liebe Biancas. Sobald er sie eintreten sah, in
entschlossener Haltung und in Begleitung Albas, wußte er, daß
sie nicht aus sentimentalen Gründen gekommen war, und ahnte,
daß der Skandal um Senator Trueba der Grund war.
»Ich komme dich bitten, daß du uns begleitest«, sagte Bianca
ohne Umschweife. »Deine Tochter und ich fahren auf die Drei
Marien, den Alten holen.« Auf diese Weise erfuhr Alba, daß sie
Pedro Tercero Garcías Tochter war.
»Gut. Fahren wir bei mir vorbei, um die Gitarre
mitzunehmen«, antwortete er, sich erhebend.
In einem Auto, schwarz wie ein Beerdigungswagen und mit
staatlichem Nummernschild, fuhren sie aus dem Ministerium.
Bianca und Alba warteten auf der Straße, während er in seine
Wohnung ging. Als er zurückkam, hatte er etwas von seinem
alten Charme wiedergewonnen: er hatte seinen grauen Anzug
gegen den Monteuranzug und den Poncho von ehedem
vertauscht. Keiner sprach während der ersten hundert Kilometer,
bis Alba sich von der Überraschung erholt hatte und mit dünner,
zitternder Stimme fragte, warum sie ihr nicht gesagt hätten, daß
Pedro Tercero ihr Vater war, sie hätten ihr dadurch viele
Alpträume von einem weißgekleideten, in einer Wüste an Fieber
gestorbenen Grafen erspart.
»Besser ein toter Vater als ein abwesender«, antwortete
Bianca rätselhaft und kam auf die Angelegenheit nicht mehr zu
sprechen.
Bei Anbruch der Nacht trafen sie auf den Drei Marien ein und
fanden an der Einfahrt zum Gut einen Haufen Leute in
freundschaftlichem Schwatz rund um ein Feuerchen, über dem
ein Ferkel briet. Es waren die Polizisten, die Journalisten und
die Bauern, die eben die letzten Flaschen aus dem Weinkeller
des Senators entkorkten. Hunde und mehrere Kinder spielten im
Schein des Feuers, darauf wartend, daß das rosige, glänzende
Ferkel durchgebraten war. Pedro Tercero erkannten alle sofort,
die Presseleute, weil sie ihn oft interviewt hatten, die Polizisten
an seinem unverwechselbaren Aufzug als Liedersänger und die
Bauern, weil sie ihn auf diesem Land hatten aufwachsen sehen.
Sie empfingen ihn liebevoll.
»Was führt Sie zu uns, Genosse?« fragten ihn die Bauern.
»Ich komme den Alten besuchen«, lächelte Pedro Tercero.
»Sie dürfen zu ihm hinein, aber allein. Doña Blanca und Niña
Alba werden uns ein Gläschen Wein nicht ausschlagen«, sagten
sie.
Die beiden Frauen setzten sich zu den ändern ans Feuer, und
der feine Duft des Bratens erinnerte sie daran, daß sie seit dem
Morgen nichts gegessen hatten. Bianca kannte alle Hintersassen,
vielen von ihnen hatte sie in der kleinen Gutsschule Lesen und
Schreiben beigebracht, so daß sie sich bald der alten Zeiten
erinnerten, als noch die Brüder Sánchez der Gegend ihr Gesetz
aufzwangen, Pedro Garcia der Alte das Gut von der
Ameisenplage befreite und der jetzige Präsident noch immer der
scheiternde ewige Kandidat war, der auf dem Bahnhof
haltmachte und ihnen vom Zug aus Reden hielt. »Wer hätte
gedacht, daß er einmal Präsident wird!« sagte einer.
»Und daß der Patron eines Tages auf den Drei Marien
weniger zu sagen hat als wir«, lachten die übrigen.
Pedro Tercero wurde ins Haus und gleich in die Küche
geführt. Dort standen die ältesten Hintersassen und bewachten
die Tür zum Eßzimmer, wo sie den
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