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Das Geisterhaus

Das Geisterhaus

Titel: Das Geisterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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lange in
der Luft.
    Im großen Eckhaus entkorkte Senator Trueba eine Flasche
französischen Champagner, um den Sturz des Regimes zu
feiern, gegen das er so wild gekämpft hatte, nicht ahnend, daß in
diesem selben Augenblick seinem Sohn Jaime mit einer
importierten Zigarette die Testikel verbrannt wurden. Der Alte
hängte die Fahne über die Haustür, und wenn er nicht auf die
Straße tanzen ging, dann nur seines Hinkens wegen und weil
Ausgehverbot bestand, denn an Lust dazu fehle es ihm nicht,
wie er seiner Tochter und seiner Enkelin aufgekratzt verkündete.
Unterdessen versuchte Alba am Telefon, Nachrichten von denen
zu bekommen, um die sie sich Sorgen machte: Miguel, Pedro
Tercero, Onkel Jaime, Amanda, Sebastián Gómez und so viele
andere.
    »Jetzt werden sie es büßen!« rief Senator Trueba, sein Glas
hebend.
Alba riß es ihm aus der Hand und schleuderte es gegen die
Wand, daß es in tausend Scherben zersprang. Bianca, die nie
den Mut gehabt hatte, gegen ihren Vater anzugehen, lächelte
unverhohlen.
»Wir werden nicht den Tod des Präsidenten feiern, und auch
nicht den anderer Leute, Großvater«, sagte Alba.
In den hochherrschaftlichen Häusern des Barrio Alto wurden
die Flaschen entkorkt, die seit drei Jahren bereitlagen, man stieß
auf die neue Ordnung an. Über den Arbeitervierteln flogen die
ganze Nacht durch die Helikopter, surrend wie Fliegen aus einer
anderen Welt.
Sehr spät, kurz vor Tagesanbruch, klingelte das Telefon, und
Alba, die sich nicht schlafen gelegt hatte, nahm den Hörer ab.
Erleichtert hörte sie die Stimme Miguels.
»Es ist soweit, mi amor. Such nicht nach mir und warte nicht
auf mich. Ich liebe dich«, sagte er.
»Miguel! Ich will mit dir gehen«, schluchzte Alba.
»Sprich mit niemandem von mir, Alba. Besuche die Freunde
nicht. Vernichte die Papiere, die Notizbücher, alles, was dich
mit mir in Verbindung bringen kann. Ich werde dich immer
lieben, denk daran, mi amor«, sagte Miguel und hängte ein.
Das Ausgangsverbot dauerte zwei Tage. Für Alba waren sie
eine Ewigkeit. Die Rundfunksender übertrugen ununterbrochen
Marschmusik, das Fernsehen zeigte nur chilenische
Landschaften und Zeichentrickfilme. Mehrmals am Tag
erschienen die vier Generäle der Junta auf dem Bildschirm, um
ihre Aufrufe zu verbreiten. Sie saßen zwischen dem
Staatswappen und der Fahne: sie waren die neuen Helden des
Vaterlandes. Obwohl die Soldaten Befehl hatten, auf jeden zu
schießen, der sich außerhalb seines Hauses blicken ließ, ging
Senator Trueba über die Straße, um im Haus eines seiner
Nachbarn zu feiern. Der Festtrubel fand bei den
Straßenpatrouillen keinerlei Beachtung, denn dies war ein
Viertel, in welchem sie nicht erwarteten, auf Widerstand zu
stoßen. Bianca verkündete, sie hätte die schlimmste Migräne
ihres Lebens, und schloß sich in ihr Zimmer ein. Nachts hörte
Alba sie in der Küche herumgehen und nahm an, daß der
Hunger stärker gewesen war als das Kopfweh. Sie selbst lief
zwei Tage lang in einem Zustand völliger Kopflosigkeit im
Haus herum, sah die Bücher in Jaimes Tunnel und ihren eigenen
Schreibtisch durch, um zu vernichten, was sie für
kompromittierend hielt. Es war, als beginge sie ein Sakrileg, und
sie war überzeugt, daß ihr Onkel, wenn er nach Hause kam,
wütend werden und ihr sein Vertrauen entziehen würde. Sie
vernichtete auch die Adreßbücher, in denen die
Telefonnummern ihrer Freunde standen, ihre kostbarsten
Liebesbriefe und selbst die Fotos von Miguel. Die
Hausangestellten, gleichgültig und gelangweilt, vertrieben sich
die Zeit während der Ausgangssperre mit Pastetenbacken,
ausgenommen die Köchin, die unaufhörlich weinte und
sehnsüchtig auf den Augenblick wartete, daß sie ihren Mann
sehen konnte, mit dem sie sich telefonisch nicht hatte
verständigen können.
Als die Ausgangssperre für einige Stunden aufgehoben
wurde, um der Bevölkerung Zeit zu geben, Lebensmittel
einzukaufen, stellte Bianca staunend fest, daß die Geschäfte voll
waren von Artikeln, die seit Jahren gefehlt hatten und die nun
wie durch Zauber wieder in den Schaufenstern lagen. Sie sah
ganze Trauben bratfertiger Hähnchen und konnte kaufen, was
sie wollte, nur daß alles dreimal so teuer war wie vorher, weil
die Preisbindung aufgehoben worden war. Sie bemerkte, daß
viele Leute die Hähnchen neugierig besahen, als hätten sie noch
nie welche gesehen, daß aber wenige sie kauften, weil sie sie
nicht bezahlen konnten. Drei Tage später verpestete

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