Das Geisterhaus
gehen wir nicht ins
Ausland? Warum verschwinden wir nicht jetzt, wo es noch Zeit
ist?«
Miguel deutete auf die Kinder, und Alba verstand.
»Dann laß mich mit dir gehen«, bat sie ihn, wie schon so oft.
»Wir können in diesem Augenblick keinen bei uns haben, der
nicht trainiert ist. Erst recht nicht eine verliebte Frau«, lächelte
Miguel. »Es ist besser, du bleibst bei der Aufgabe, die du
übernommen hast. Man muß diesen armen Kindern helfen, bis
bessere Zeiten kommen.«
»Sag mir wenigstens, wo ich dich finden kann.«
»Wenn du der Polizei in die Klauen fällst, ist es besser, du
weißt nichts«, antwortete Miguel.
Sie erschrak.
In den folgenden Monaten begann Alba die Einrichtung des
Hauses zu verscherbeln. Anfangs wagte sie nur Dinge aus den
aufgegebenen Zimmern und dem Keller herauszuholen, aber als
das verkauft war, fing sie an, Stück um Stück die alten Stühle im
Salon, die barocken Schemel, die Kolonialtruhen, die
geschnitzten Wandschirme aus dem Eßzimmer und sogar die
Tischwäsche zu verkaufen. Trueba merkte es, sagte aber nichts.
Er vermutete, daß seine Enkelin das Geld einem verbotenen
Zweck zuführte, wie sie es vermutlich auch mit den Waffen
getan hatte, aber er wollte es lieber nicht wissen, um sich
weiterhin auf einer Welt, die ihm in Trümmer fiel, sein prekäres
Gleichgewicht zu bewahren. Er fühlte, daß die Ereignisse seiner
Kontrolle entglitten, und begriff, daß seine Enkelin nicht zu
verlieren das einzige war, woran ihm wirklich lag, weil sie das
letzte Band war, das ihn noch mit dem Leben verknüpfte.
Deshalb sagte er auch dann noch nichts, als sie nach und nach
die Bilder von den Wänden und die Teppiche von den Böden
nahm, um sie an die neuen Reichen zu verkaufen. Er fühlte sich
sehr alt und sehr müde, er hatte keine Kraft mehr zu kämpfen.
Auch seine Ideen waren nicht mehr so klar wie früher, die
Grenze zwischen dem, was er für gut hielt, und dem, was er als
schlecht betrachtete, verwischte sich allmählich. Nachts, wenn
ihn der Schlaf überraschte, hatte er Alpträume von den
Ziegelhäuschen.
Er dachte, daß er es nicht verhindern könnte, wenn seine
Erbin beschloß, das Haus zum Fenster hinauszuwerfen, weil es
nicht mehr lange dauern würde, bis er im Grab lag und ins Grab
würde er nur das Leichentuch mitnehmen. Alba wollte mit ihm
sprechen, ihm die Sache erklären, aber der alte Mann weigerte
sich, das Märchen von den hungrigen Kindern anzuhören, die
von dem Erlös aus seinen Aubusson-Gobelins einen
Almosenteller voll Essen bekamen, oder von den Arbeitslosen
die dank seines chinesischen Drachens aus Hartstein eine
Woche länger überleben konnten. Das alles, behauptete er nach
wie vor, sei ein ungeheurer Schwindel des internationalen
Kommunismus, und gesetzt den äußerst unwahrscheinlichen
Fall, daß es zuträfe, wäre es nicht an
Alba, sich die
Verantwortung dafür aufzuhalsen, sondern an der Regierung
oder, in letzter Instanz, an der Kirche. An dem Tag aber, an dem
er nach Hause kam und das Bild von Clara nicht mehr in der
Eingangshalle hängen sah, fand er, daß damit die Grenze seiner
Geduld überschritten sei, und knöpfte sich seine Enkelin vor.
»Wo, zum Teufel, ist das Bild deiner Großmutter?« brüllte er.
»Ich habe es an den englischen Konsul verkauft, Großvater.
Er sagte mir, er würde es in ein Londoner Museum hängen.«
»Ich verbiete dir, daß du noch einmal etwas aus diesem Haus
wegnimmst. Von Morgen an hast du dein eigenes Bankkonto für
dein Nadelgeld«, antwortete er.
Bald sah Esteban Trueba, daß Alba die teuerste Frau seines
Lebens war und ein Harem von Hofdamen weniger kostspielig
gewesen wäre als diese Enkelin mit dem grünen Haar. Er
machte ihr keine Vorwürfe, weil die Zeiten des blühenden
Vermögens wiedergekehrt waren und er um so mehr besaß, je
mehr er ausgab. Seit politische Betätigungen verboten waren,
hatte er viel Zeit für seine Geschäfte, und er rechnete sich aus,
daß er, entgegen seinen Vorhersagen, als reicher Mann sterben
werde. Er legte sein Geld bei den neuen Finanzierungsinstituten
an, die sich erboten, das Geld der Investitionswilligen auf
wunderbare Weise von einem Tag auf den ändern zu
vervielfachen. Er entdeckte, daß ihn der Reichtum unendlich
langweilte, weil es ihm so leichtfiel, ihn zu erwerben, er aber
keinen echten Anreiz hatte, ihn wieder auszugeben, und es nicht
einmal dem ungeheuren Verschwendungstalent seiner Enkelin
gelang, seinen Beutel schlaff zu machen.
Weitere Kostenlose Bücher