Das Geisterhaus
den Grund seines Unbehagens nicht
begreifen, wußte er doch, daß die seltsamen Geräusche, die die
Dienstboten gehört haben wollten, von Clara kamen, die in
Gesellschaft ihr befreundeter Geister durchs Haus strich. Er
hatte seine Frau oft in ihrem weiten Kleid durch die Salons
wehen sehen und ihr mädchenhaftes Lachen gehört. Er tat dann,
als ob er sie nicht sähe, blieb regungslos stehen und hielt den
Atem an, um sie nicht zu erschrecken. Wenn er die Augen
schloß und sich schlafend stellte, konnte er ihre Finger spüren,
die sanft seine Stirn berührten, ihren Atem, der wie ein Hauch
über ihn hinblies, das Flattern ihres Haars in seiner Reichweite.
Er hatte keinen Anlaß, irgend etwas Anomales zu ve rmuten, und
doch hütete er sich, die verzauberte Region zu betreten, die das
Reich seiner Frau war, und ging nie weiter als bis zur Küche, die
eine neutrale Zone darstellte. Seine alte Köchin war gegangen,
weil ihr Mann bei einer Schießerei versehentlich umgebracht
und ihr einziger Sohn, der in einem Dorf im Süden Rekruten
ausgehoben hatte, von den Dorfbewohnern an einem Lichtmast
aufgehängt worden war, die Eingeweide um den Hals
geschlungen, als Rache dafür, daß er die Befehle seiner
Vorgesetzten ausgeführ t hatte. Die arme Frau verlor den
Verstand und Trueba bald darauf die Geduld, weil er es leid war,
die Haare im Essen zu finden, die sie sich bei ihrem
ununterbrochenen Lamento ausraufte. Eine Zeitlang
experimentierte Alba mit Hilfe eines Kochbuchs an den
Kochtöpfen, aber trotz aller guten Absichten aß Trueba dann
doch alle Abende im Club, um wenigstens einmal am Tag eine
anständige Mahlzeit zu bekommen. Alba hatte dadurch größeren
Spielraum für ihren Flüchtlingsbetrieb und konnte sicherer sein
als zuvor, daß sie die Leute vor der Sperrstunde ins Haus
brachte, ohne daß ihr Großvater etwas davon merkte.
Eines Tages erschien Miguel. Sie wollte gerade ins Haus, als
er ihr im vollen Licht des frühen Nachmittags entgegenkam. Er
hatte sich zwischen den Sträuchern im Garten versteckt, um auf
sie zu warten. Er hatte sich das Haar blaßgelb gefärbt und trug
einen blauen Zweireiher. Er sah aus wie ein gewöhnlicher
Bankangestellter, aber Alba erkannte ihn sofort und konnte
einen Jubelschrei aus tiefstem Herzen nicht unterdrücken. Im
Garten fielen sie sich in die Arme, vor den Blicken der
Passanten und eines jeden, der sie sehen wollte, bis sie wieder
Verstand annahmen und die Gefahr erkannten. Alba zog ihn ins
Haus, in ihr Schlafzimmer. Sie fielen aufs Bett in einem Knoten
von Armen und Beinen, sich rufend bei den geheimen Namen,
die sie in Kellerzeiten benutzt hatten, sie liebten sich
verzweifelt, bis sie das Leben aus sich entweichen und ihre
Seelen zerspringen fühlten und stilliegen mußten, horchend auf
die wilden Schlä ge ihrer Herzen, um sich ein wenig zu
beruhigen. Da schaute ihn Alba zum erstenmal an und sah, daß
sie mit einem völlig Unbekannten geschlafen hatte, der nicht nur
Haare hatte wie ein Wikinger, der auch weder Miguels Bart
noch seine kleine runde Lehrerbrille trug und viel dünner
aussah. »Gräßlich siehst du aus!« flüsterte sie ihm ins Ohr.
Miguel war einer der Chefs der Guerilla geworden, er hatte das
Schicksal erfüllt, auf das er seit seinen jungen Jahren
zugesteuert war. Die Polizei hatte viele Männer und Frauen
verhört, um seinen Schlupfwinkel aufzuspüren, was Alba wie
ein Mühlstein auf der Seele lag, für ihn jedoch nur ein Teil der
Schrecken des Krieges war, zumal er bereit war, dasselbe Los
auf sich zu nehmen, wenn es darum ging, andere zu decken. Bis
dahin kämpfte er im Untergrund, treu seiner Theorie, daß man
der Gewalt der Reichen die Gewalt des Volks entgegensetzen
mußte. Alba, die sich tausendmal vorgestellt hatte, er sei
verhaftet worden oder sie hätten ihn auf fürchterliche Weise
umgebracht, weinte vor Freude, während sie seinen Geruch,
seine Haut, seine Stimme, seine Wärme, die Berührung seiner
Hände schmeckte, die schwielig waren vom Gebrauch der
Waffen und der Gewohnheit zu kriechen, sie betete und fluchte,
sie küßte ihn und haßte ihn wegen der vielen tausend
ausgestandenen Leiden und wollte auf der Stelle sterben, um
nicht noch einmal seine Abwesenheit auszuhalten.
»Du hast recht gehabt, Miguel. Alles ist so gekommen, wie du
gesagt hast«, gab Alba, an seiner Schulter schluchzend, zu.
Dann erzählte sie ihm von den Waffen, die sie dem Großvater
gestohlen und mit ihrem Onkel vergraben
Weitere Kostenlose Bücher