Das Geisterhaus
hatte, und erbot sich,
ihn an die Stelle hinzuführen und sie zu suchen. Sie hätte ihm
gern auch die gegeben, die sie nicht hatte stehlen können und
die im Haus zurückgeblieben waren, aber wenige Tage nach
dem Militärputsch war der Zivilbevölkerung befohlen worden,
alles, was als Waffe betrachtet werden konnte, einschließlich
Fahrtenmessern und Federmessern für Kinder, abzuliefern. Die
Leute legten ihre in Zeitungspapier gewickelten Packete an den
Kirchentüren ab, weil sie nicht wagten, sie in die Kasernen zu
bringen, aber Senator Trueba, der Kriegswaffen im Haus hatte,
brauchte nichts zu befürchten, da die seinen ja dazu bestimmt
gewesen waren, Kommunisten zu töten, wie jeder wußte. Er rief
seinen Freund, General Hurtado, an, und dieser schickte einen
Militärlastwagen, um sie abzuholen. Trueba führte die Soldaten
in das Zimmer mit den Waffen und mußte, sprachlos vor
Staunen, feststellen, daß die Hälfte der Kisten mit Steinen und
Stroh gefüllt waren, aber er begriff, daß er jemanden aus seiner
eigenen Familie verdächtigen oder selbst Scherereien
bekommen würde, wenn er den Verlust zugab. Er erging sich in
Entschuldigungen, die niemand von ihm verlangte, da die
Soldaten die Anzahl der Waffen, die er gekauft hatte, nicht
kennen konnten. Er verdächtigte Bianca und Pedro Tercero,
doch auch die hochroten Wangen seiner Enkelin gaben ihm zu
denken. Nachdem die Soldaten die Kisten mitgenommen und
ihm eine Quittung ausgestellt hatten, packte er Alba am Arm
und schüttelte sie, wie er es nie getan hatte, damit sie bekannte,
ob sie etwas mit den fehlenden Maschinengewehren und Flinten
zu tun hatte.
»Frag nicht Antworten aus mir heraus, die du nicht hören
willst, Großvater«, antwortete Alba, ihm fest in die Augen
sehend. Sie sprachen nicht wieder über das Thema.
»Dein Großvater ist ein Schuft, Alba. Irgend jemand wird ihn
umbringen, wie er es verdient«, sagte Miguel.
»Er wird in seinem Bett sterben, er ist schon sehr alt«, sagte
Alba.
»Wer mit dem Eisen tötet, kann nicht an Hüteschwenken
sterben. Vielleicht bringe ich ihn eines Tages selber um.«
»Das verhüte Gott, dadurch würdest du mich zwingen,
dasselbe mit dir zu tun«, erwiderte Alba entschlossen.
Miguel erklärte ihr, daß sie sich lange Zeit nicht mehr würden
sehen können. Er versuchte ihr klarzumachen, wie gefährlich es
war, die Freundin eines Guerillero zu sein, auch wenn sie durch
den Namen ihres Großvaters geschützt war, aber sie weinte so
sehr und schlang mit solcher Angst die Arme um ihn, daß er ihr
versprach, sie würden nach Gelegenheiten suchen, sich hin und
wieder zu sehen, und sei es unter Lebensgefahr. Miguel willigte
auch ein, mit ihr zusammen die auf den Bergen vergrabenen
Waffen und Munitionen zu suchen, denn was er bei seinem
tollkühnen Kampf am meisten brauchte, waren Waffen.
»Ich hoffe, daß sie nicht verrostet sind«, murmelte Alba.
»Und daß ich mich noch an die Stelle erinnere, denn es ist schon
über ein Jahr her.«
Zwei Wochen später veranstaltete Alba einen Ausflug mit den
Kindern aus den Kantinen in einem Lastwagen, den ihr die
Gemeindepfarrer liehen. Sie nahmen Körbe voll Vesperbrot,
eine Tüte Orangen, Bälle und eine Gitarre mit. Keines der
Kinder fand es verdächtig, daß sie unterwegs einen blonden
Mann zusteigen ließen. Alba fuhr den schweren Lastwagen mit
seiner Fracht Kinder denselben Weg in die Berge hoch, den sie
mit ihrem Onkel Jaime gefahren war. Zwei Patrouillen hielten
sie unterwegs an, sie mußte die Brotkörbe aufmachen, aber die
ansteckende Lustigkeit der Kinder und der unschuldige Inhalt
der Tüten zerstreuten jeden Verdacht der Soldaten. Ungeschoren
kamen sie an den Ort, an dem die Waffen versteckt lagen.
Die Kinder spielten Räuber und Gendarm und Verstecken.
Miguel veranstaltete eine Partie Fußball mit ihnen, er setzte sie
im Kreis um sich und erzählte ihnen Märchen, und dann sangen
alle, was die Lungen hergaben. Danach zeichnete er einen Plan
von der Stelle, um später im Schutz der Nacht mit seinen
Kameraden wiederzukommen. Es war ein glücklicher Tag in der
freien Natur, in der sie für einige Stunden die Spannungen des
Kriegszustandes vergessen und unter dem fröhlichen Geschrei
der Kinder, die zwischen den Steinen herumsprangen, zum
erstenmal seit vielen Monaten mit vollem Magen, die laue
Gebirgssonne genießen konnten.
»Ich habe Angst, Miguel«, sagte Alba. »Werden wir nie ein
normales Leben führen können? Warum
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