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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Fuchs
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noch geholfen hatte, zu bauen. Seine Zeit würde kommen, sein nächster Flug, sein nächstes Opfer. Er wusste, dass er damit recht hatte. Was er nicht ahnen konnte, war, wie schnell sich sein Wunsch schon erfüllen würde.

    *

    Lucca, im Jahr des Herrn 1382

    Verärgert blickte Sander zur Tür, wo Ella, von einem Bein auf das andere hüpfend, winkte.
    »Was ist los?«, brüllte er unwirsch, obwohl er wusste, dass die Dienstmagd ihn wegen des Lärms in der Wirtschaft nicht verstehen konnte. Einmal mehr ärgerte er sich, dass sich dieses Weib immer noch benahm wie eine Zwölfjährige mit fliegenden Zöpfen. Mittlerweile hatte sie bereits das reife Alter von 20 Lenzen erreicht und wurde immer mehr zu einer alten Jungfer. Alle schienen das zu bemerken, nur sie selbst nicht. Mit gespitztem Mund, weit aufgerissenen Augen und forschem Winken bedeutete sie Sander, zu ihr zu kommen. Das fiel ihm jedoch nicht im Schlaf ein. Sollte sie sehen, wie sie weiterkam. Hier herein jedenfalls würde man sie nicht lassen, diese Wirtschaft war den Männern vorbehalten und ihrer Zerstreuung. Und genau das hatte Sander vor. Scheinbar unbeeindruckt vom immer wilder werdenden Winken der Magd widmete er sich aufmerksam dem Brett mit den vier Ringen, das je in 16 Felder unterteilt war. Seit Kaufleute aus Byzanz dieses Schach über Venedig nach Lucca gebracht hatten, war Sander begeisterter Spieler. Stundenlang saß er mit seinen Freunden bei einem oder mehreren Bechern Wein und versuchte, Dame, Bischof, Turm und Bauer so zu bewegen, dass er den König seines Gegners mattsetzen konnte. Er bevorzugte diese Spielfiguren, die Byzantiner spielten mit Schah, Wesir und Elefanten, aber das war ihm zu abenteuerlich. Genervt blickte er wieder zur Tür. Ella hatte sich keinen Zoll bewegt. Mittlerweile gestikulierte sie nicht mehr, sondern weinte. Zornesröte schoss Sander ins Gesicht, und auf einen kurzen Wink kam sein Diener Heinrich, der sich wie immer im Hintergrund aufgehalten hatte, an den Spieltisch. Aufmerksam beugte sich dieser zu seinem Herrn.
    »Geh zu diesem Weib und frag sie, was denn so Wichtiges passiert ist, dass sie mich bei meinem Spiel stören muss!«
    Heinrich nickte und ging zur Tür. Entschuldigend nickte Sander seinem Gegenüber Guglielmo Obertenghi zu, einem Spross der Adelsfamilie Bonifacius, die mit Karl dem Großen einst nach Italien gekommen waren. Guglielmo meinte darauf belustigt: »Alessandro, ich wette du hast diese Magd absichtlich kommen lassen, um dich vom Spiel zu holen. Jeder hier in Lucca weiß doch, dass du nicht verlieren kannst. Und genau das tust du gerade!«
    »Natürlich nicht!«, blaffte Sander und ärgerte sich über seinen letzten unüberlegten Zug, der seinen König arg in Bedrängnis gebracht hatte. Verzweifelt versuchte er noch zu retten, was zu retten war, musste sich aber schon beim nächsten Zug dem lachenden Guglielmo geschlagen geben. Missmutig lehnte er sich zurück und wischte mit einer einzigen forschen Handbewegung die Spielfiguren vom Tisch. Die umstehenden Männer lachten ebenfalls. Alessandro von Randegg, Neffe des greisen Bernhards von Randegg, Patriarch von Aquileia, machte seinem Ruf wieder einmal alle Ehre. Weitschichtig verwandt mit Beatrix von Zollern, der Gemahlin Herzog Albrechts III. zählte der schon von Kindheit an in Lucca lebende Alessandro zur Oberschicht dieser Stadt. Als dann vor vier Jahren Krieg zwischen Genua und Venedig ausbrach, der sogenannte ›Chioggia Krieg‹, zögerte der junge Randegg keinen Augenblick und ergriff die Partei Genuas. Es war bald weithin bekannt, dass der junge Adelige sich ohne Zweifel nicht nur auf dem gesellschaftlichen Parkett von Lucca, sondern auch als Ritter beweisen konnte. Er war ohne zu zaudern an der Seite Francesco Novellos da Carrara , König Ludwigs von Ungarn und der österreichischen Herzöge ins Schlachtfeld gezogen und hatte sich tapfer gegen König Peter von Zypern bewährt. Zum Dank hatte ihn Herzog Leopold mit einem hohen militärischen Amt in Oberitalien belohnt. Randegg galt nicht nur als treu, sondern auch als gerecht und besonnen. Er hatte nur eine Schwäche, er konnte nicht verlieren und sei es auch nur im byzantinischen Schach. Deswegen war er jetzt zur Zielscheibe des Gespötts geworden und er ließ seinen Zorn darüber an Heinrich aus, der mit bedrückter Miene wieder an den Tisch gekommen war. »Was ist, Heinrich, warum lässt du mich nicht in Ruhe!« Der Angesprochene, der nicht einmal mit der Wimper zuckte und die Rüge

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