Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
ehrliches Glaserl Wein.«
Johanna seufzte wieder schwer.
»Oba«, setzte Barthel an, »wir haben da so Gerüchte gehört über den Hofmeister und seine Vorliebe für Haut und Bana.«
»Was?«, fragte Johanna desinteressiert und ordnete ihre Krüge neu.
»Weiß doch eh schon jeder, dass der Fichtenstein auf Heiligtümer steht«, Marlen feixte zu Barthel hin und meinte weiter schnippisch, »dafür hättet ihr nicht saufen gehen müssen!«
»Was heißt Heiligtümer?«, fragte Johanna.
»Na Reliquien halt«, Marlen verdrehte die Augen, »Fingerknochen vom Heiligen Georg, die Zunge vom Blasius, so Sachen eben.«
»Geh weida, Marlen«, brummte Johanna, »dieser Schmarrn interessiert mich nicht! Ich wollte nur wissen, ob es eine Spur von der Yrmel gibt, sonst nichts. Jetzt, wo schon wieder wer weg is!«
»Um Gottes willen, was is denn scho wieder gschehn bei euch?« Barthel riss die Augen auf, aber Marlen winkte gleichgültig ab. »Aber, die räudige Hündin meint die Johanna. Auf einmal war’s nicht mehr da. Eh ein Segen, wennst mich fragst, so wie die immer gestunken hat.«
Johanna biss die Zähne aufeinander und ordnete ihre Krüge wieder neu.
Barthel blickte traurig: »Also des oide Weiberl wird ma fehlen …«
»Aber geh! Vielleicht kommt’s ja wieder!«, sagte Marlen fröhlich, »der wird halt die Schreierei unserer hysterischen Gretlin auf die Nerven gefallen sein. Da ist sie nicht die Einzige, das sag ich dir, Barthel. So ein Getue!« Damit hielt sich Marlen spöttisch die Nase zu und nuschelte, Gretlin nachmachend: »Da riecht es so komisch, das Böse kommt, immer näher, dieser Geruch, nein …«
»Ach, halt’s z’samm, Marlen!« Barthel deutete bereits eine Ohrfeige an, wurde aber von Johanna müde unterbrochen: »Lass das, Barthel. Is scho gut. Die änderst nicht mehr. Wenn unsere Marlen einmal den Löffel abgibt, dann musst ihr Mundwerk extra daschlagn. Und fast hast ja recht, Madl«, damit tätschelte Johanna Marlens Unterarm, »bei uns geht’s wirklich unmöglich zu. Ich selber kenn mi a nimma recht aus und am liabsten würd ich auch weglaufen so wie die Maroni, ehrlich!«
Betroffen sah Barthel zu Johanna, die verstohlen ein paar Tränen zerdrückte und wieder ihre Krüge umstellte. Dann atmete sie tief durch, stemmte die Arme in die Hüften und meinte gespielt herrisch: »Ich weiß net, wo sind nur die Hübschlerinnen. Tauchen die heut gar net auf?«
»Ja weißt eh, Hanna, die wollen ihren großen Auftritt. Bevor der Festzug net da is, kommen die Dorthe und ihre Weibsen a net daher!«
»Was, die Dorthe läuft mit?«, sagte Johanna und freute sich insgeheim, denn eine bessere Informantin als die Freundin von Elsbeth würde sie nicht finden können, um Genaueres über Gretlin herauszubekommen.
»Aber nein, mitlaufen tut’s net die Dorthe, der ihre Haxen wollen s’ halt nimma so recht tragen, aber a strenges Regiment wird jetzt in der Laimgruben geführt, seit sie den Merkel abglöst hat!«
»Was denn? Die Dorthe führt jetzt des Frauenhaus?«
»Ja, hast des net gwusst, Hannerl?«
»Na! Aber i frag mi schon, warum ausgerechnet du des so genau weißt, Barthel?« Wütend hob Johanna ihren Zeigefinger in die Luft, doch gerade, als sie auf den errötenden Barthel eine Schimpftirade loslassen wollte, ertönte von Weitem ein Trompetensignal. Kein Zweifel, der Festzug würde in Kürze eintreffen! Sofort machte sich bei allen Standlern, Knechten und Mägden hektische Betriebsamkeit breit. Alle warfen noch einen letzten Blick auf ihre Waren und sahen dann den Näherkommenden erwartungsvoll entgegen.
Der Bürgermeister Paul Holzkäufl und seine Ratsherren ließen nicht lang auf sich warten und nahmen gleich ohne viel Federlesens an einem der Tische Platz. Die Bürgerschaft stellte sich in Reih und Glied. Noch einmal wurde das Scharlach, der kostbare Preis ausgerufen, dann die inzwischen angebundenen Pferde auf ein Zeichen von ihren Stricken befreit, und das Rennen begann. Die Männer mit ihren Tuchbaretten, festlichen Wämsern und kurzen Mänteln schrien und feuerten das Pferd an, auf das sie gewettet hatten. Etwas leiser johlten die Weiber mit ihren goldbestickten Hauben, den warmen Joppen, und ganz und gar leise waren die anwesenden barhäuptigen Jungfrauen im bänderdurchflochtenen Haarschmuck. Umso begeisterter gebärdeten sich die zahlreichen Knechte und Mägde, die zur Feier des Rennens den Rest des Tages freihatten. Sie verfolgten alle mit Spannung die Reiter und die nachfolgenden
Weitere Kostenlose Bücher