Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
folgte ihr der Knecht, und sie sah aus den Augenwinkeln, dass er am Gürtel noch ein Kaninchen hängen hatte. Darum kann ich mich jetzt net kümmern, dachte sie und herrschte ihn an: »Du wartest da.« Umständlich und mit zitternden Händen kramte sie in ihrem Beutel, schob die Pergamentrollen beiseite und nahm die Stickereien von Gretlin heraus. Seufzend schob sie den Beutel wieder über die Schulter, hielt den mitgenommenen Stoff in Händen, atmete tief durch und öffnete die Tür in die Küche. Als die Anwesenden ihrer gewahr wurden, stimmte jede für sich ein Gezeter an. Maroni winselte und versuchte zu bellen, was in ein röchelndes Keuchen überging. Eine blasse, von Schmerzen ganz abgezehrte Yrmel rang die Hände und deutete angespannt auf Gretlin, was in ihrer Sprache so viel wie »Bitte schaff mir die vom Hals« bedeutete. Barbel stimmte ein Riesengeschrei an, dass die Speichelfetzen nur so um ihr Kinn flogen. Gretlin, die neben Yrmel stand, hielt sich kreischend die Nase zu und deutete auf den Knecht mit dem toten Federvieh, der stumm und beharrlich auf der Schwelle zur Küche stehengeblieben war. Johanna konnte dieses Durcheinander nicht mehr verkraften. Schon seit dem Morgengrauen auf den Beinen und nach einem anstrengenden Besuch bei Dorthe, war sie am Ende ihrer Kraft, und das letzte Bisschen an Energie, das sie noch in Reserve hatte, entlud sich in einem Wutanfall, dem zwei Tonkrüge, die am Tisch standen, zum Opfer fielen. Johanna schleuderte sie einfach an die Wand, und der Apfelmost aus dem einen und die Milch aus dem anderen zeichneten unschöne Muster auf Boden und Wand. Doch Johanna hatte noch nicht genug. Als Nächstes erwischte sie ein Holzfass mit Heringen, das ebenfalls den Weg alles Irdischen ging, als das Holz beim Aufprall auf den Boden zerbarst und die Küche sich mit dem scharf-würzigen Fischgeruch füllte. Jetzt endlich war sie ruhiger, und wie immer, wenn sie vor lauter Wut eine Riesensauerei angerichtet hatte, begann sie seelenruhig mit allen zur Verfügung stehenden Tüchern und Fetzen sauber zu machen. Das war ihr Ritual, das gehörte dazu. Wenn wieder alles sauber war, dann fühlte sie selbst sich auch reingewaschen von all dem Dreck, der sie vor wenigen Augenblicken noch schier zum Ausrasten gebracht hatte. Als die Küche sauber und die verschmutzten Tücher zusammen mit den Scherben und den Heringen zusammengefegt waren, warf Johanna alles in einen Weidenkorb und stellte es kurzerhand vor die Tür in den Hof. Darum wollte sie sich später kümmern. Viel ruhiger blickte sie nun zu Barbel und fragte sie: »So du alte Schastrommel, was willst du eigentlich von mir?«
Ungerührt wegen der etwas derben Ansprache entgegnete Barbel scharf: »Wennst meine Kräutln net mehr brauchst, dann sag’s einfach! So a Lügerei kann i net leiden!«
»Wer, in Gottes Namen, lügt denn?«, fragte Johanna schneidend.
»Na du! Von wem kriegst denn das Zeug, hä?«
Alles klar, dachte Johanna, die Alte hat Wind davon bekommen, dass Ludwig Fütterer ebenfalls das Kloster beliefert, und meinte schon etwas beschwichtigender: »Ich kauf nur das von den anderen, was du mir net liefern kannst, Barbel. Zimt und Muskat und …«
»Aber Schmarrn«, unterbrach sie Barbel unwirsch, »was ich da riech, des is net Zimt und des andere neumodische Zeug. Des is was ganz was Gwöhnlichs, was du von mir auch haben kannst.«
Jetzt mischte sich Gretlin, die, seit sie den Knecht mit dem Federvieh nicht mehr sehen musste, weil Johanna ihm kurzerhand die Tür vor der Nase zugeschlagen hatte, bedeutend ruhiger war, ein: »Weißt Johanna, ich wollte, also wir«, damit zeigte sie auf Yrmel, die die Köchin zwar müde, aber erwartungsvoll anschaute, »also wir wollten dir auch noch etwas sagen über den Geruch, du weißt schon, wir wissen jetzt nämlich genau, was …«
»So lang kennen wir uns, so lang, und jetzt holst dir dein Grünzeug von wem andern, scham di, Hannerl, pfui«, keppelte Barbel dazwischen und fing doch wahrhaftig zu heulen an wie ein altes Waschweib.
»Jetzt sei doch leise, Barbel«, meinte Gretlin, »ich muss jetzt was mit der Johanna besprechen!«
»Hast an Ehrenpreis dabei und einen Ackerschachtelhalm?«, fragte Johanna abwesend, wandte sich dem Verband Yrmels zu und ignorierte einfach das Gezeter um sie herum.
»Freilich hab i des da. Brauchst das vielleicht?«, fragte Barbel und zog Rotz die Nase hoch.
»Ja«, sagte Johanna knapp und wickelte das Tuch, das sie um die Stichwunde gelegt hatte,
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