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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Fuchs
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schwer wäre, so kurz vor dem Ziel! Er kreiste weiter hoch oben, um sich nichts entgehen zu lassen, keine Unachtsamkeit, keine noch so kleine Regung, keine Äußerung. Er brauchte ein Zeichen, einen Wink, um endlich zum Sturzflug ansetzen zu können. Wie ein Pfeil würde er die Luft durchschneiden. Zielgerichtet, selbstbewusst. Der Falkenzahn, einmal hineingehackt in das Fleisch, brachte den sicheren Tod, nichts und niemand konnte das Opfer nun vor dem sicheren Untergang bewahren. Die Vorstellung allein schon erregte ihn über die Maßen, bis in die letzte Einzelheit stellte er sich dieses Gemetzel vor, während er am Rande der Kärntnerstraße im Dreck saß und mit seinen kleinen, dicken Fingern seinen vom Speichel nassen Mund abwischte. Seine krummen Beine taten ihm weh, sein Kreuz schmerzte, nur kurz wollte er hier ausruhen. Er war schon so lang unterwegs, seit dem Morgengrauen lag er auf der Lauer, doch so nah am Ziel … seine schorfigen Nasenflügel bebten vor Aufregung, und immer wieder fasste er mit zitternden Händen und angstvollem Blick in die tiefe Tasche seines Umhanges, um es zu fühlen, kratzig und kühl, spannend und verheißungsvoll. Erleichterung machte sich breit. »Ja, es ist noch da, ja ich habe es«, dachte er mit Genugtuung, um gleich darauf dieses Spiel von Angst, Erwartung und Erleichterung wieder von Neuem zu beginnen.
    Seine kleinen, listigen Augen waren nur scheinbar auf das Straßenpflaster gerichtet, sein zu großer Kopf war zwar gesenkt, wie wenn er schlafen würde, doch er war hellwach. Er wartete auf sie, denn nur sie würde ihm den Weg zeigen, sie würde ihn dahin führen, wohin er wollte.

    *

    Benommen saß die nicht mehr ganz junge Frau auf der Nonnenempore der Kirche Santa Klara. Die schmalen Schultern nach vorn geneigt, der Rücken nicht so straff wie sonst, sondern rund und zusammengesunken, die Hände im Schoß verschränkt. Es war so kalt in der Kirche, dass ihr Atem gefror. Sie merkte nichts davon. Unbewusst jedoch zog sie ihren wollenen Mantel fester um das blausamtene Kleid, das schwer und mit zahlreichen Unterröcken ihre dünnen Beine bis hinunter zu ihrem feinen Schuhwerk umhüllte. Es kribbelte in ihrer Nase, die an den Nasenflügeln rot vor Kälte war. Mit ihren schlanken Fingern, die zeitlebens noch keine schwere Arbeit verrichtet hatten, fasste sie sich an den Mund und nieste so verhalten und leise wie möglich.
    »Wann kommt sie denn endlich?«, dachte sie ungeduldig. Verärgert spürte sie, dass ihr ein Tropfen aus ihrer eiskalten Nase auf den Spitzenkragen troff. Mit einer schnellen Handbewegung wischte sie ihn weg und ordnete ihr geflochtenes Haar, das nur ein wenig aus ihrer reichen mit Pelz verbrämten Haube hervorschaute.
    Sie war zu Fuß gekommen, nur eine Dienerin durfte sie begleiten, aber auch diese ließ sie draußen auf dem Schweinemarkt warten. Es war gut, dass sie mit den Örtlichkeiten vertraut war, sonst hätte sie nie von diesem weitläufigen Klosterhof in das kleine Stiegenhaus, das hier herauf zur Nonnenempore führte, gefunden. Wie gut, dass sie damals ihren Gemahl und seine Abgesandten begleitete. Nie hätte sie geahnt, dass es hier keinen direkten Eingang zur großen dreischiffigen Kirche gab. Sie konnte ja schlecht jemanden fragen, denn eigentlich war sie ohne Erlaubnis hier. Ja, damals hatten sie einen Erlass von niemand Geringerem als Papst Gregor vorzuweisen gehabt, heute hätte sie bestenfalls ihre hohe Stellung in die Waagschale werfen können, aber genau das suchte sie zu vermeiden. Abgesehen davon, dass einem in diesem riesigen Konvent ohnehin niemand begegnete, den man fragen konnte, wenn man sich verlaufen hatte, denn zurückgezogen und in strenger Klausur lebten die hohen Damen hier, so wollte sie unerkannt bleiben. Missmutig streckte sie ihre kalten Beine aus, schüttelte sie kurz und stand von diesem kalten Fenstersims, das das große Maßwerkfenster der Empore nach unten begrenzte und auf dem sie mehr gelehnt als gesessen hatte, auf. Eher gelangweilt vom vielen Warten als neugierig sah sie hinunter in die Kirche, und ihr Blick traf auf einen wunderschön gearbeiteten, geweihten Flügelaltar, der heute, an einem ganz normalen Wochentag, aufgeklappt auf der Werktagsseite, ihren verstorbenen Schwager Rudolf und seine Gattin Katharina, die sich guter Gesundheit erfreute und nach langen Jahren in Prag wieder nach Wien heimgekehrt war, zeigte. Wie erfolgreich doch diese Familie war, dachte sie sich im Stillen und meinte damit auch

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