Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
den Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches gleich und erschuf für sich und seine Familie den Titel Erzherzog. »Gut«, setzte Katharina, ganz die Schwester dieses engagierten, sich wenig um herkömmliche Gepflogenheiten kümmernden Herrschers, mit bestimmter Stimme fort, »Margarete hat unmittelbar neben dem Kloster der Minderen Brüder gelebt. Sie ist gestorben, und im Totenbuch im Jahr 1369 eingetragen. Es könnte sein«, damit tippte Katharina auf die beschriebenen Seiten in ihrer Hand, »dass sie das hier geschrieben hat. Aber wie du weißt, die Echtheit ist nicht wichtig. Der Glaube der Leute daran, was da drinnen steht, das ist von Bedeutung.« Nach einer bedeutungsschweren Pause, in der sie Beatrix gebannt ansah, setzte Katharina fort: »Wenn man nach einem Erben von Tirol sucht, wird man früher oder später einen finden. Und dann gnade uns Gott!«
Beatrix zog die kalte Luft geräuschvoll ein, nie und nimmer konnte sie sich vorstellen, was der Verlust des Tiroler Erbes für ihren Gatten bedeuten würde. Es käme einem Meuchelmord am Hause Habsburg gleich, einer Zertrümmerung des hohen Ansehens von Rudolf, dem älteren Bruder, eine nie dagewesene Verachtung der Regentschaft ihres Gatten – das, so viel war immerhin klar, musste mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindert werden!
»Was soll ich tun, Katharina?« Beatrix richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und blickte erwartungsvoll ihre Schwägerin an.
Leise lächelte die Äbtissin. »Ich sehe, du hast verstanden, Beatrix. Gut so.«
Nach einer längeren Pause fuhr sie fort: »Ich denke, es wird das Beste sein, du suchst dir einen Erben aus.«
»Wie bitte?«, fragte Beatrix und meinte, sich verhört zu haben. Unbeirrt fuhr Katharina fort: »Einer ist so gut wie der andere. Doch es muss jemand sein, mit dem du leichtes Spiel hast. Bring ihn zum Vorschein und dann reiß ihm, vor so vielen Leuten wie möglich, den Kopf ab. Dann ist das Kapitel erledigt. Dann hat die Familie Ruhe.« Gleichgültig starrte Katharina auf ihre weißen Hände. »Wenn du ganz gescheit bist, dann such dir einen aus, der dir sonst auch gefährlich werden könnte. Dann hast du gleich zwei Sorgen auf einmal los.«
»Ein guter Gedanke«, murmelte Beatrix, die es plötzlich vor Unruhe nicht mehr auf dem schmalen und kalten Fenstersims aushielt und Anstalten machte, die Nonnenempore zu verlassen. Mit einem kurzen Nicken bedankte sie sich bei Katharina. »Du hast mir sehr geholfen. Danke. Ich werde dich nicht enttäuschen, Schwägerin. Aber jetzt muss ich allein sein und meinen Gedanken freien Lauf lassen!« Damit lief sie mit steifen, durchgefrorenen Beinen die Stufen hinunter und verließ das Kloster über den großen Hof Richtung Schweinemarkt, wo, ebenfalls schon halb erfroren, ihre Dienerin wartete, um sie in die Herzogsburg zu geleiten.
»Du weißt gar nicht, wie dankbar ich dir sein werde, Beatrix«, flüsterte die Äbtissin der Davoneilenden nach und sah versonnen hinunter zum Flügelaltar, wo sich eine Handvoll Nonnen zum Gebet für das Seelenheil des Stifters versammelt hatte.
Was Beatrix nicht wusste und Katharina ihr auch nicht auf die Nase binden würde, war, dass sie bereits eigene Nachforschungen über die Echtheit der Briefe angestellt hatte und deswegen so spät zu ihrer Zusammenkunft gekommen war. Kein Zweifel, es gab einen Minoritenbruder Nicolas, der sich zu Lebzeiten der Gräfin um ihre persönlichen Belange kümmerte. Er hatte immer wieder kleinere Geldbeträge von ihr erhalten und sie Bedürftigen zukommen lassen. Hier und da war auch eine Widmung dabei. Das allein, so dachte Katharina insgeheim, war ja schon ein Zeichen des Altersirrsinns der alten Gräfin gewesen. Denn wer der Bedürftigen würde denn ihre rührseligen Zeilen lesen können, waren sie doch allesamt von niederem Stand! Sei’s drum, leider war der Pater, der sich übrigens als Baumeister des Klosters hervorgetan hatte, immer noch sehr um den Nachlass der Gräfin bemüht. Akribisch genau verteilte er weiterhin die Einkünfte, die die Gräfin bis in alle Ewigkeit von den Zöllen der Stadt Wels erhielt. Warum nur hatte Rudolf, ihr Bruder, ihr diesen Geldfluss eigentlich zugedacht? Katharina schüttelte den Kopf. War er um das Wohl Margaretes so besorgt oder wollte er sie nur beruhigen? Nun, einen Großteil des Geldes verwandte Pater Nicolas für den Ausbau des Klosters, was Katharina als sehr tröstlich empfand. Über den kleineren Teil hüllte er sich jedoch verbissen in
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