Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Schweigen, aber er – das war nun wieder sehr gut zu wissen – war ein ehrgeiziger Mensch. Mit einer kleinen Ablassspende zur Unterstützung seiner Bauarbeiten musste man ihm die Zunge doch etwas lösen können! Katharina lächelte, aber gleich darauf verschlossen sich ihre Züge wieder, denn eines beunruhigte sie, und das hing mit dieser Johanna, dieser gottbegnadeten Köchin, zusammen. Sie erwähnte eine eigentümliche Stickerei, einen schwarzen Adler. Nun der schwarze Adler auf Gold war doch nichts anderes als das Symbol für das Heilige Römische Reich! Und die Art und Weise, wie die Büßerin die Verarbeitung schilderte, war beunruhigend, denn so eine Geschichte könnte selbst diese fantasiebegabte Person sich nicht aus den Fingern ziehen. Schade, dass sie die Stickerei in der Klosterküche vergessen hatte. Aber macht nichts, sie hatte versprochen, sie zu holen und mit einer weiteren Lieferung Essiggurkerln noch heute zu bringen. So weit, so gut, dachte Katharina. Sie hatte ihre Rolle gut gespielt und die richtigen Fädchen gezogen. Jetzt lag es an den anderen, an denen, die ›da draußen‹ lebten, Handlungen zu setzen. Sie würde sehen, wen ihre einfallsreiche Beatrix als Erben hervorzaubern konnte. Sie vertraute ihrer jungen Schwägerin in dieser Angelegenheit voll und ganz. Beatrix würde alles tun, um die Größe und Unanfechtbarkeit der Familie Habsburg zu erhalten, ehrgeizig genug war sie ja. Und wenn sie keine gute Wahl traf, dann war ja immerhin noch sie selbst, Katharina, da! Ihr würde sicherlich etwas einfallen. Einmal mehr dankte die Äbtissin ihrem Schöpfer, dass sie hier innerhalb der schützenden Mauern des Klosters Santa Klara, scheinbar harmlos ihre ganz und gar nicht harmlosen Ränkespiele veranstalten und so den Einfluss ihrer Familie mehr als jeder andere stärken konnte. Selbstzufrieden seufzte sie, um dann ihre Nase schnuppernd in die Luft zu strecken, denn aus der Küche kam schon der erlesene Geruch von gebratenen, mit Speck umwickelten Rebhühnern heraufgestiegen. Wie gut, dass der Knecht dieses Randeggs wie aus dem Nichts mit seinem Wild erschienen war, gleich im Schlepptau der Köchin, denn jetzt gab es nicht nur Linsen mit Essiggurkerln, sondern saftiges Geflügel obendrein!
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Mit hochrotem Gesicht verließ Krispin die Löwengrube. Drei Tage war er nun in diesem unterirdischen Gewölbe gesessen, hatte sich von den Leuten auf der Galerie verspotten lassen! Nur weil er seine Zeche in ungefähr der Hälfte aller Buschenschenken in Wien nicht bezahlen konnte! Jetzt endlich hatte er seine Strafe im Schuldnergefängnis abgesessen und war wieder auf freiem Fuß! Ewig diese Sauferei, dachte er und raufte sich das fettige braune Haar. Niemals hatte er Geld, weil er seinen gesamten Lohn, den er sich sauer in den Weinbergen verdiente, sofort in Rebensaft umsetzte. Die Wirte waren aber auch so teuer geworden, dass er ununterbrochen Schulden machen musste ! Man ließ ihm ja nichts anderes übrig, lamentierte er weiter. Er konnte es gar nicht erwarten, hinauszukommen aus der Schranne, diesem Gerichtsgebäude am Hohen Markt, das neben dem Schuldnergefängnis auch den Kerker für die Weiber und die Stuben der Gerichtsleute beherbergte. Einen kurzen Blick noch riskierte er in die Kapelle, die zutreffenderweise ›Zur Todesangst Christi‹ genannt wurde, und sah eine kniende, krumme Gestalt, das Haupt tief gesenkt, die Finger verschränkt. Krispin verharrte und empfand Mitleid – so wie es jeden überkommen hätte beim Anblick dieser erbarmungswürdigen Kreatur. Jeder wäre sicher gewesen, es mit einem verzweifelten Verurteilten, der um sein Seelenheil flehte, zu tun zu haben. Niemand konnte ahnen, am allerwenigsten der einfache Knecht Krispin, dass die Tränen, die aus diesen halb geschlossenen Augen auf die schmale Brust des scheinbar ins Gebet Versunkenen tropften, Freudentränen waren. Niemand hätte gedacht, dass die Seufzer, die sich diesem zusammengekniffenen Mund entrangen, unterdrückte Jubelschreie waren. Wirklich niemand hier in der Kapelle der Schranne am Hohen Markt konnte sich vorstellen, wie dankbar und befreit und mit welcher Inbrunst dieser Mann, den die Natur wirklich nicht mit Schönheit überhäuft hatte, seinem Schöpfer dankte. Krispin beschloss, doch noch ein Weilchen zu bleiben und den scheinbar Betenden mit der gruseligen Schaulust, die jeden Wiener überkam, wenn er einen Todgeweihten zu Gesicht bekam, zu beobachten. Was er aber nicht ahnen konnte, war, dass sich
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