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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Fuchs
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Barthel schnalzte kurz mit der Zunge, dann wandten sie sich an die nächsten, reichten Becher um Becher mit einem herzlichen »Wohl bekomms!« herum, als wäre das hier ein Freudenfest und als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Inzwischen war die Prozession völlig zum Erliegen gekommen, denn alles scharte sich um die aufgestellten Tische. Johanna zuckte jedes Mal zusammen, wenn einer der heruntergekommenen Gestalten einen Becher auf einmal aussoff, und Ewald schien ihr anzusehen, wie sie litt. Jeder getrunkene Wein war ein Becher Essig weniger. Ihr musste das Herz bluten. Doch tapfer hielt sie durch und versuchte, den Blick auf Gretlin, die weiter mit gesenktem Kopf zwischen den Schergen eher hing als stand, zu vermeiden. Als alle Umstehenden mit Trinken beschäftigt waren und sich schon eine etwas gelöstere Stimmung breitmachte, zischte Johanna Ewald unbemerkt zu: »Was ist mit Sander, kommt er denn? Lang können wir dieses Theater nicht durchhalten. Einmal ist auch der beste Wein aus!«
    Ewald zuckte die Achsel und antwortete leise: »Ich habe noch nichts von ihm gehört. Ich wünschte, ich hätte bessere Nachrichten für euch!«
    »Verdammter Mist, elendiger«, fluchte sie unterdrückt und rief laut in Richtung Henker und Priester: »Euer Gnaden, noch einen kleinen Schluck?« Dann drehte sie sich um und herrschte die beiden Knechte zu ihrer Rechten an: »Jobst, Krispin, laufts und holts noch des letzte Fassl aus dem Keller. Sputet euch.« Verschwörerisch lehnte sich Johanna dann wieder zu Ewald und raunte: »Wenn denen die Kehle trocken wird, dann geht’s der Gretlin gleich nass eini!«
    Ewald lächelte bitter und sah beunruhigt zum Henker und seinen Schergen, die sich mit dem Weinbecher in der einen und Gretlins zarten Unterarmen in der anderen Hand anschickten, weiterzugehen. Vorbei ging der schaurige Zug an der Schlagbrücke, wo wöchentlich das Großvieh geschlachtet wurde und die Wiener sich auf der fast 100 Schritte langen Brücke mit ihren Tontöpfen drängten, um sich frische Innereien für ein ausgiebiges Mittagessen zu sichern. Ewald schüttelte es bei dem Gedanken an Blutsuppe, geröstete Nierndln 22 , Rindsbeuschel 23 und Stierhoden. Sein Magen war von der Nervenanspannung so empfindlich, dass er fürchtete, sich übergeben zu müssen. Doch unbarmherzig wurde er weitergeschoben, und als er sich reckte und streckte, konnte er über die Köpfe der Menge den blonden Schopf Gretlins erkennen, die sich willenlos Richtung Langer Brücke schleifen ließ. Die Lange Brücke war mit ihren 500 Schritt Länge ein gewaltiges Bauwerk, das die Schlagbrücke direkt zierlich erscheinen ließ. Sie umspannte einen der tiefsten Donauarme hier im Überschwemmungsgebiet, bedrohlich gurgelte und schäumte dunkelgraues Donauwasser um die 30 hölzernen Joche, die die Brücke abstützten. Der Brückenkopf auf der anderen Seite endete halbkreisförmig und war zur Verteidigung der Stadt vorgesehen. Tabor wurde dieses Bollwerk genannt, das Wien vor Feinden schützen sollte, noch ehe diese überhaupt die Donau überwinden konnten. Ewald, der in die rasch dahin strömenden Fluten blickte, wurde plötzlich klar, warum gerade hier, zu Füßen der langen Brücke, der Hinrichtungsort für Tod durch Ertränken war. Das Wasser war tief, und durch die hölzernen Joche bildete sich ein Strudel in der Strömung. Ein menschlicher Körper, gefesselt und in einen Sack gebunden, würde nach unten gezogen werden, so wie das Stück Holz, dessen Bahn Ewald gerade mit Grauen beobachtete. Es trudelte munter heran, umschiffte das hölzerne Joch, stach plötzlich in die Wellen und verschwand, bis es ein ganzes Stück weiter vorn wieder an die Oberfläche kam. Ein Blick auf die langen hölzernen Stangen der Knechte sagte Ewald, dass Gretlin die Möglichkeit des Auftauchens nicht vergönnt sein würde. Angstvoll reckte er wieder seinen Kopf und drehte sich um. Er fing den panischen Blick Johannas auf, die weiter tapfer Wein aus dem letzten Fass ausschenkte, aber zusehends blasser und zittriger wurde. Doch Ewald gab sich keinen Illusionen hin: War der Wein aus, wollte der Pöbel Taten sehen. Wie zur Bestätigung seiner schlimmsten Befürchtungen wurde Gretlin grob an das Ufer gezerrt, und einer der Knechte begann, ihr die hellgraue Kutte vom Leib zu reißen. Mein Gott, dachte Ewald, warum schickst du mir nicht endlich Sander! Wie soll ich das denn aushalten, was soll ich bloß tun? Während der eine Knecht das heruntergerissene Habit achtlos auf

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