Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
er erstanden ist,
so lobn wir den Vater Jesu Christ‹.
Kyrieleis.«
Die Menge, aufgestachelt durch den misstönenden Gesang, hemmungslos durch die bevorstehende Hinrichtung, begann ihrerseits wieder: »Ersauft sie! Ersauft sie! Ersauft sie!« Da puffte ein grobschlächtiger Mann einen anderen in die Seite. Der wiederum gab ihm einen Stoß, dass er in eine Gruppe Frauen hineinfiel, und bevor Ewald noch recht wusste, was um ihn herum geschah, war bereits eine Schlägerei im Gange: Tritte in den Bauch, Faustschläge auf den Kopf gefolgt von markerschütterndem Geschrei. Kreischen und Schreien der Frauen, Jammern der am Boden Liegenden und anfeuernde Rufe der Unentwegten drangen nur vage an das Ohr Ewalds.
Halleluja,
Halleluja,
Halleluja!
hörte er die Büßerinnen krähen, dann blickte er zum Ufer. Der Henker, fürchtend um sein eigen Leib und Leben im Angesicht der Menge, die wie eine gewaltige Welle auf ihn zuzurollen schien, trieb mit unnatürlicher Hast seine Knechte an, die Gretlin schnell in den Sack stopften wollten. Keine Rede mehr von seinen theatralischen Bewegungen, nur mehr schnell weiter mit der Dirne!
Des solln wir alle froh sein,
Christ will unser Trost sein.
Kyrieleis.
Da traf Ewald ein wuchtiger Schlag, und er ging zu Boden.
Christ will unser Trost sein.
Kyrieleis
Überraschend fand er sich zwischen Johanna und Barthel wieder, die herbeigeeilt waren und ihn aus dem Pulk raufender Menschen herauszogen.
»Jetzt is alles z’ spat!« 29 , weinte Johanna.
»Dass Gott sich ihrer oarmen Seel dabarmt« 30 , wimmerte Barthel und schlug ein Kreuzzeichen. Ewald presste die Lippen aufeinander, dann begann er, einer plötzlichen Eingebung folgend, zum Ufer zu laufen. Johanna wollte ihn noch aufhalten, aber er riss sich los und spurtete zum Henker. Mit einer freundschaftlichen Geste legte er dem völlig Überrumpelten den Arm um die Schulter. Ewald hatte nicht viel Zeit, sich Gedanken zu machen, er dachte ganz fest an seinen Freund Sander und schaute zu Gretlin, die einem körperlosen Wesen gleich, zugeschnürt und verpackt auf ihr Ende wartete. Ein einfaches Liebeslied musste her, aber schnell! Zaudernd begann er zu singen:
Hat mich ins Herz getroffen
Die Schöne, Liebevolle,
Noch nie hatte er solche Angst gespürt, niemals zitterte seine Stimme so wie jetzt. In seinem ganzen Leben nicht. Da, eine glockenhelle, strahlend reine Stimme begann mit ihm zu singen:
Auf sie nur will ich hoffen,
es wird noch alles gut.
Unsicher schaute er sich um, und sein Blick blieb an ihr hängen. Sie stand da, ihm gegenüber und bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick, während aus ihrer Kehle die Melodie leicht und heiter entsprang.
So weckt in meinem Herzen
Die Liebe große Freude
Yrmel sang aus voller Brust mit all ihrer Kraft. Ihre ganze Gestalt schien nur aus dieser heiteren, strahlend hellen Stimme zu bestehen. Ewald sang mit ihr und war überzeugt, dass dieses Lied nie schöner geklungen hatte.
Ich weiß schon, wen ich liebe –
Ich will ihr ganz gehören. 31
Die Prügelei ebbte nach und nach ab, und als Ewald die nächsten fünf Strophen seines Lied zum Besten gab mit der Gewissheit, dass ihn Yrmels Gesang begleiten würde, wurde es still, und ein paar Leute begannen zu lächeln, vereinzelt war auch ein verzücktes Seufzen zu hören.
Johanna reagierte prompt. Sie horchte auf, konnte aber die Sängerin, die Ewald so kunstvoll begleitete, nicht sehen, zu dicht stand die Menschentraube vor ihr. So begnügte sie sich damit, Barthel grob anzurempeln: »Es ist noch nicht vorbei, Barthel, der Ewald versucht’s noch amal. Mei, hoffentlich schafft er’s, sie aufz’halten!« 32 Dann blickte sie zornfunkelnd auf den weinenden Barthel: »Hör auf zum Flennen wie a oides Weib. Helfn miassen ma den Sängern do, her mit dem Fusel, schnell!« 33 Barthel wimmerte weiter.
Mit den Armen in die Hüfte gestützt schrie sie den armen Kerl an: »So, und jetzt zeigst ma, wo der Barthel den Most holt!« Da endlich begann er zu laufen, das verstand er.
So schnell, wie Yrmel vor Ewald erschienen war und gesungen hatte, so spurlos verschwand sie auch wieder, als sie spürte, dass er seine Kraft wieder gefunden und seinen Zuhörern allein gewachsen war. Ewald, der genau wusste, dass die Leute auf Dauer nicht mit sehnsüchtiger Liebe zufriedenzustellen waren, entschied sich für deftigere Kost, schnappte den Henker, der immer noch wie vom Donner gerührt dastand, noch fester um die Schulter und begann
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