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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Fuchs
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das hölzerne Schloss barsch öffnete, die andere streckte er ohne viel Aufhebens in den Käfig, packte Gretlin am Oberarm und zog sie mit Gewalt durch die kleine Öffnung. Ewald hielt den Atem an. Was würde die junge Frau jetzt tun? Er wartete auf ein Schreien, ein Toben und Kratzen, doch nichts geschah. Willenlos ließ sie sich vom Henker herausholen und links und rechts von den Schergen packen. Ihr Gang war steif, mit den durchgefrorenen Füßen der kalten Nacht kein Wunder, doch sie hielt sich, wie Ewald staunend feststellte, tapfer. Ihre hellblauen Augen waren auf einen Punkt hinter ihm gerichtet, er drehte sich, um zu erkennen, was Gretlin so gebannt fixierte. Da trafen sich seine Blicke mit denen aus warmen braunen Augen, denn niemand anderer als Yrmel stand ein paar Fuß nur entfernt. Sie trug denselben graubraunen Umhang wie der Pöbel über ihrer Nonnentracht. Man konnte sie nicht als Büßerin erkennen, zum Glück, dachte Ewald. Starr stand sie da, stolz und aufrecht, und sandte, wie es Ewald schien, ihre ganze Kraft zu der blonden, jungen Frau, die sich auf sie zu verlassen schien und so ihre Umgebung und all die Gewalt rundherum nicht wahrnahm. Gierig und geifernd waren Dutzende Augenpaare wie hypnotisiert auf Gretlin gerichtet. Enttäuschung machte sich jedoch langsam breit, die Büßerin hielt nicht, was sich die Menge unter einem plärrenden, kratzenden, in Sünde gefallenen Weib vorstellte.
    Es war still geworden auf dem Platz vor der Schranne. Auf dem Balkon hatte sich der Gerichtsschreiber postiert und verlas mit lauter Stimme das Urteil. Bei dem Passus »Ertränken durch Sacken in die Donau«, erhob sich wieder Geschrei und Gejohle. Mühsam unterdrückte die Meute ihren Drang, nach vorn zu sprinten, um bei der grauenerregenden Prozession über den Lichtensteg, die Straße zum Roten Turm bis hinunter zum Donauarm möglichst weit vorn mit dabei zu sein. Doch die Schrannenknechte waren die Gelassenheit in Person. Mit besonnenen und sehr langsamen Bewegungen schirmten sie die Menschen von Gretlin und dem Henker ab, sodass sich diese an die Spitze des Zuges setzen konnten, dicht gefolgt vom Priester und einem Schreiber der Schranne. Daneben ging ein weiterer Knecht mit zwei langen Stangen und einem Sack aus grobem Stoff. Ewald, der rücksichtslos drängte, konnte einen Platz gleich dahinter ergattern, obwohl die Gerätschaften ihm ein nicht auszusprechendes Unbehagen bescherten. Beunruhigt sah er sich um, Yrmel war verschwunden, so plötzlich, wie sie erschienen war. Nicht nur er dürfte das bemerkt haben, denn auch Gretlin wurde zusehends unruhiger und wimmerte leise mit gesenktem Kopf. Nicht ohne ein gewisses Pathos streckte sich der Henker und schritt allen voran. Dabei neigte er seinen Kopf nach hinten, sodass das samtene Barett gerade noch auf seinem Haupt blieb. Mit lautem Rufen setzte sich der Zug in Bewegung. Ewald wurde mehr geschoben und gestoßen, als dass er sich selbst fortbewegte. Er sah nur einen Teil von Gretlin, ihren schmächtigen Rücken, eingeklemmt zwischen den breiten Schultern der Knechte. Wo war Sander nur, dachte er ein ums andere Mal. Was sollte er denn tun, wenn sein Freund nicht endlich auftauchte? Er konnte doch nicht zusehen, wie man diese unschuldige Frau in den Fluten ertränkte! Der Zug kommt schneller voran als gedacht, viel zu schnell, dachte Ewald bei sich. Schon sah man den Roten Turm ganz nahe, gleich würde man das Tor passieren und sich rechter Hand der großen Donaubrücke zuwenden. »Sander, wo bist du!«, schrie Ewald verzweifelt und war sich bewusst, dass sein Hilferuf ungehört im Jauchzen der Menge unterging. Wie eine leblose Puppe ließ sich Gretlin durch die Rotenturmstraße schleifen, Ewald vermutete, dass sie gar nichts von dem mitbekam, was geschah, er hoffte es für sie. Als sie durch das Stadttor waren, verhielt der Zug, und Ewald sprang mit beiden Beinen in die Luft, um über die Köpfe seiner Vordermänner zu sehen, was denn da im Wege stand. Er glaubte zu träumen, als er Johanna in ihrer ganzen Leibesfülle hinter aufgebauten Verkaufsbuden erkannte. Daneben stand Barthel mit zwei Gesellen, die Ewald nicht kannte, die aber ziemlich kräftig aussahen. Auf den groben Brettern, die als Tische dienten, standen reihenweise Krüge und Becher. Mit einem ausgesucht freundlichen Lächeln reichte Johanna den ersten Trunk an den Priester, der Henker und die Knechte folgten. Als die Köchin Ewalds gewahr wurde, zwinkerte sie kurz mit dem rechten Auge, und

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