Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Burg, die als ihr Familiensitz, als fürstliche Repräsentation und als Stützpunkt zur Falkenjagd diente, behalten und weiterhin Herr über die weitläufigen Besitzungen bis zur Donau bleiben wollten. Das war sehr schmerzlich für Ulrich, aber nur so konnte Albrecht die Unabhängigkeitsbestrebungen dieses Grafen unterdrücken.
Nachdenklich ging Albrecht wieder im Raum hin und her. Sander, der nicht erwarten konnte, endlich Gretlin ins Spiel zu bringen, platzte heraus: »Und wie willst du, Heinrich, wissen, wer der Erbe von Tirol ist, wer soll deiner Meinung nach mit der Gräfin Margarete verwandt sein?«
Auf einen erstaunten Blick des Herzogs stockte Sander und verbeugte sich. »Ich vergaß mich vorzustellen, Euer Gnaden. Mein Name ist Alexander von Randegg, ich stehe Ihnen und Ihrem Bruder Leopold seit dem Chioggia Krieg am Schwarzen Meer militärisch zu Diensten.«
Albrecht nickte , winkte aber ab, denn von seinem Bruder wollte er jetzt gar nichts hören, und nahm den Satz Sanders wieder auf: »Ja, wahrlich, es würde mich sehr interessieren, woran ihr den Erben erkennen wollt«, er machte eine kleine Pause, »sofern er überhaupt zu finden ist, was ich ehrlich gesagt stark bezweifle!«
Heinrich reckte sich und erklärte stolz: »Nun, da wären Schriftstücke, Briefe, drei an der Zahl, von denen du, liebe Base, ja sicherlich weißt.«
Beatrix bedachte ihren Gemahl mit einem kurzen Blick und schüttelte dann bedauernd den Kopf.
Wütend ging Heinrich auf sie zu und blaffte: »Leugnen hilft dir gar nichts, ich weiß doch, dass die Briefe deiner Schwägerin bei den Klarissen übergeben wurden, ich war ja dabei!«
»Wenn du das sagst, werter Vetter«, entgegnete Beatrix süffisant, »ich war leider nicht zugegen.«
Zornig funkelte Heinrich die Herzogin an, um nach kurzem Nachdenken gleich wieder zu lächeln. Er griff sich an die Tasche seines braunen, durch Flecken verschiedener Herkunft ziemlich schmutzigen Umhanges und entgegnete: »Ich habe ja noch ein Beweisstück«, er klopfte auf seine Tasche, »und nur der, der im Besitz desselben war, kann der Erbe sein!« Der Herzog blickte überrascht auf, Fichtenstein trat näher, und Sander spürte die Wut in sich aufsteigen wie kochende Milch. Ewald, der die verdächtigen roten Flecken im Gesicht seines Freundes sah, raunte Sander zu. »Handle nicht unüberlegt, mein Freund, beherrsche dich.«
»Aber ich muss doch, uns läuft die Zeit davon, Gretlin, sie wird …«, flüsterte er verzweifelt.
Ewald dachte kurz nach, dann entschuldigte er sich bei den Anwesenden und verließ die Kammer, nicht ohne vorher Sander zuzuflüstern: »Ich kümmere mich darum und warte, bis du kommst. Ich tue mein Möglichstes, aber spute dich und komm mir nach! Bald!« Sander nickte gequält.
Beatrix hingegen verhielt sich sehr ruhig und dachte an das, was ihr die Schwägerin Katharina bei den Klarissen vorgeschlagen hatte. Sie kam zu der Überzeugung, dass es nun an der Zeit wäre, sich selbst einen Erben auszusuchen. Und das Beste daran war, dass sie da schon einen wirklich guten Einfall hatte!
*
Die ganze Nacht über hatte er Wache gehalten, gleich als Beatrix und der Herzog ihn entlassen hatten, war er hierher gelaufen. Hier wollte er warten, nicht von der Seite der jungen Frau weichen, bis … ja bis … Sander mit neuen Nachrichten vom Hof eintreffen würde. Er richtete es irgendwie ein, der schmächtigen Person, die zusammengekauert in dem Holzverschlag saß, eine Idee von Sicherheit und Schutz zu bieten. Ewald lehnte an einer Seite des Narrenköttls, und mit lauten Rufen scheuchte er die ganze Nacht herumstreunende Hunde, zu nahe kommende Schweine und Geflügel weg. Das war aber nicht das, was ihm zu schaffen machte, vielmehr war es der Pöbel, der nichts unversucht ließ, Gretlin zu quälen. Halbvolles Nachtgeschirr wurde herangeschafft, um es auf die Bedauernswerte zu kippen, schal gewordenes Bier oder faulige Küchenabfälle versuchte man über sie zu schütten, und wenn das wegen der Wache Ewalds alles nicht fruchtete, lief man schnell vorbei und spuckte zwischen den Holzstäben durch. Aber alles war besser als Steine. Ewald wusste nicht, was er tun sollte, wenn eine dieser Kreaturen einen Stein in die Hand nahm. Schon der Gedanke daran ließ ihn schaudern. Endlos schienen die Stunden, die der Sänger an der Seite der jungen Frau am Hohen Markt zubrachte. Und nur langsam zogen lichtere Nebelschwaden über den Platz, endlich ließ sich die Morgensonne als heller Punkt
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