Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Ewald?« Er drehte sich halb im Sattel um, weil er wusste, dass sein Knappe wie immer dicht hinter ihm ritt. Auch diesmal enttäuschte ihn der Junge nicht, und todernst antwortete ihm Ewald. »In Anbetracht der übergroßen Zahl an Reisenden, die der arme Gasthof in Kürze zu bewirten haben wird, tippe ich auf eine große Schüssel, gut angewärmt, aber leer. Dazu einen Becher voll kühlem Nichts und eine Portion Luft als Beilage.«
»Da kannst du wohl recht haben«, meinte Bernhard verschmitzt.
Erschrocken drehte sich Sander zu seinem Oheim: »Meinst du wirklich, dass wir gar nichts zu essen bekommen?«
»Also ich denke, so ein bisschen dünne Suppe wie gestern Abend wird’s schon geben«, feixte Ewald von hinten.
»Aber nur, wenn uns all die anderen Reisegefährten etwas übriglassen«, hielt der Patriarch dagegen und lachte ebenfalls.
Sander entgegnete unwirsch: »Ich weiß nicht, was daran so lustig sein soll. Ich möchte endlich runter von diesem Gaul, raus aus meinen durchweichten Sachen und …«,
»… dir den Magen vollschlagen, dich ans Feuer setzen, vielleicht noch ein schönes Bad nehmen, dich von einer hübschen Jungfer wärmen lassen, dich …«
»Hör auf, Ewald«, schrie Sander nach hinten, »immer machst du deine Späße mit mir. Lass mich doch endlich in Frieden!« Damit gab er zur Überraschung aller dem Pferd die Sporen und schloss nach vorn auf. Ewald füllte die Lücke, die Sander neben dem Patriarchen gelassen hatte, seelenruhig auf und begann, sich mit Bernhard zu unterhalten.
»Haben Sie schon gehört, mein Herr, gestern von der Prügelei im Klosterhof?«
»Was soll denn Besonderes gewesen sein?«, fragte Bernhard ahnungslos, »meines Wissens soll sich die Dienerschaft des Bischofs mit der der Herren von Wallsee in die Haare bekommen haben.«
»Ja schon, aber haben sie von dem weiteren Vorfall nichts erfahren?« Ewald war entzückt, dass er seinem Herrn mit dem neuesten Klatsch dienen konnte.
»Woher weißt du denn schon wieder mehr?«, fragte der Patriarch neugierig, und mit stolzgeschwellter Brust eröffnete ihm Ewald: »Ich hab da so meine Verbindungen, wissen Sie. Der Leibkoch von Adalbert von Winklern hat einen Bruder, der für die Kleidertruhen verantwortlich ist, der wieder kennt den Aufseher der Jagdhunde, der mit dem Kämmerer derer von Wallsee ganz weitschichtig verwandt ist, und der wiederum …«
Lachend unterbrach der Alte seinen Knappen: »Wie wäre es denn, wenn du mir einfach sagst, was du weißt, ohne diese Verwicklungen?«
Ewald errötete. »Aber um Verwicklungen geht es ja gerade. Man hat einen Falken, so ein schönes wertvolles Tier, na den besonderen Beizvogel …«
»Einen Gerfalken, meinst du?«, sprang Bernhard ein.
»Ja, so einen schönen halt. Den fand man heute früh im Klosterhof.«
»Und?«
»Man hat ihm das Genick umgedreht, mit dem Lederband des Federspiels umwickelt und mit dem Kopf nach unten aufgehängt. So aufgehängt, dass der Bischof ihn finden musste, als er aus seiner Zelle trat. Und das hat er auch, der ist direkt in den Kadaver hineingerannt.«
»Das kann nicht sein. Wer bitte bringt so ein schönes Tier um, um es dann wie billiges Geflügel aufzuhängen? Wem gehörte der Vogel denn?«, fragte Bernhard bestürzt.
»Ja, das ist jetzt auch so seltsam. Ulrich von Schaunberg meint, der Vogel gehöre ihm, der Bischof von Passau ist sich sicher, dass er zu seiner Falknerei gehört, und Rudolf von Wallsee meint, dass das sein Geschenk für die Braut Beatrix hätte sein sollen. Haben ja alle drei ihre Falkenmeister und Burschen mit.« Ewald sah gespannt zu seinem Herrn und wartete auf eine Antwort. Er dauerte jedoch geraume Zeit, denn dem Patriarchen gingen viele Dinge durch den Kopf. Alles in allem gefiel ihm die Sache überhaupt nicht. Zwei der drei logen, soviel war sicher. Aber warum? Wer hatte etwas von dieser Provokation? War es wirklich nur ein dummer Scherz? Wohl kaum. Gerfalken galten als eines der wertvollsten Kleinode. Sie waren schwer zu bekommen und noch schwerer zu erziehen. Erfahrene Falkner waren stets begehrt an den adeligen Höfen, sie ließen sich ihre Kenntnisse teuer bezahlen. Wenn jemand so einen Vogel auf derart abstoßende Weise umbrachte, dann wollte er seinen Gegner mit voller Absicht treffen. Nun, Bernhard dachte, er sollte zukünftig besser aufpassen, was so rund um ihn geschah und nicht immerzu seinen eigenen düsteren Gedanken nachhängen. Es wäre besser, vorbereitet zu sein auf das, was auch immer kommen
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