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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Fuchs
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möge. Auf keinen Fall jedoch wollte er seine beiden jungen Reisegefährten in irgendeine Verschwörung hineingezogen sehen und daher beschloss er, die Sache nach außen hin abzuwiegeln. Er atmete tief, wandte sich an seinen Knappen und meinte betont freundlich: »Wir sollten dem Ganzen nicht zu viel Bedeutung beimessen, Ewald. Es wird halt einen großen Wettstreit zwischen den Falknereien geben, und da hat wahrscheinlich jemand die Nerven verloren. Lass uns doch um unsere eigene Angelegenheiten kümmern.« Enttäuscht nickte ihm Ewald zu, nur zu gern hätte er mehr über den Hintergrund dieser Tat erfahren, doch er kannte seinen Herrn. Wenn dieser nicht wollte, dann war da nichts zu machen. In diesem Augenblick kam Sander vom vorderen Teil des Trosses zurückgeritten und gesellte sich wieder zu Bernhard und Ewald.
    Schweigend ritten sie eine Weile zu dritt, bis Bernhard den offensichtlich nicht zum Reden aufgelegten Sander ansprach: »Irgendwas Interessantes da vorn?«
    »Nein, gar nichts«, murrte dieser, »nur der Tross des Bischofs, eine ganze Bande komischer Leute.«
    »Warum komisch? Komisch bin nur ich allein, merk dir das, Sander«, damit zwickte Ewald dem Älteren in die Backe, bis dieser zu lächeln begann.
    »Na schmutzig sind sie, reden tun sie viel, und die riechen so seltsam.«
    »Es kann nicht jeder so wie ich nach Lavendel duften, mein Freund!«
    »Du stinkst ja auch manchmal wie ein Ziegenbock, Ewald, aber der Geruch da vorn, der war so eigen, so …«
    Der Patriarch unterbrach das Geplänkel der beiden und deutete auf den Horizont vor ihnen.
    »Seht ihr das?«
    Pflichtschuldigst reckten die beiden ihre Hälse und blickten in die angegebene Richtung, erst gelangweilt, aber dann, als sie Einzelheiten erkennen konnten, interessiert und gebannt.
    »Ja, da verschlägt es sogar euch Lausebengeln die Sprache, was?«, schmunzelte Bernhard.
    »Aber, aber …«, stammelte Sander.
    »Da, da vorn, da«, stotterte Ewald.
    Lachend half ihnen Bernhard auf die Sprünge: »Ganz richtig. Wir sind schon fast da. Was ihr hier seht, ist Wien. Wien – die wohl schönste Stadt des Abendlandes!«

    Mein liebes Kind!
    Wie schwer wiegt der Schmerz in meiner Brust, wie sehne ich mich nach zu Hause, nach dem fernen Tirol! Oft ertappe ich mich dabei, wie ich sanft über die spärlichen Mitbringsel aus meiner Heimat streiche, gleichsam als könnte ich sie auffordern, mir Geschichten zu erzählen von der klaren Luft, den schroffen Bergen, den kargen Wiesen.
    Wie gerne würde ich Dir selbst, mein Kind, diese Geschichten erzählen, von der Ergebenheit meiner Tiroler, von ihrer Härte und ihrem edlen Wesen. Doch es ist mir nicht vergönnt, von dem zu sprechen, was mir am meisten am Herzen liegt. Um Deiner Sicherheit willen muss ich schweigen und mein Geheimnis mit ins Grab nehmen. Wie hasse und verabscheue ich es, untätig in meiner Kammer zu sitzen und nur den Dank der Minderen Brüder ob meiner erbrachten Almosen entgegenzunehmen. Das allein ist mein Leben, unvorstellbar für die einstige Regentin von Tirol. Zuzusehen, wie sich die Welt rund um mich weiter dreht, wie politische Ränke und Boshaftigkeiten die Oberhand gewinnen, während du, mein Kind, ahnungslos heranwächst und nie die Gelegenheit haben wirst, dir deinen Teil zu nehmen! Oft frage ich mich, ob ich recht gehandelt habe, ob ich nicht zu sehr eingenommen von meiner Person war, als ich mir anmaßte, Schicksal zu spielen. Es gibt nur eine Entschuldigung für mein gotteslästerliches Verhalten. Du wärst wohl inzwischen tot, ermordet, gemeuchelt, vergiftet und aus dem Wege geräumt. Mein Verstand sagt mir das ganz deutlich, mein Herz dagegen spricht eine andere Sprache. Ich würde Dir gerne mein Tirol zu Füßen legen und frohlockend meinen Widersachern ins Gesicht schlagen, doch mein Triumph wäre von kurzer Dauer, und der Preis, dein Wohlergehen, zu hoch, viel zu hoch …

    Er weinte lautlos, ohne Tränen. Sein Mund verzerrte sich, doch das fiel nicht weiter auf, denn man war es schon gewohnt, dass er immer wieder eigenartige Grimassen zog. Zum wiederholten Male griff er in seine ausgebeulten Taschen. Es war wie ein Zwang, immer wieder musste er es tun. Seine Finger klebten, seine Nägel waren fast schwarz von geronnenem Blut. Doch immer aufs Neue griff er in dieses schlaffe, weiche Teil, befühlte die Wunde, zog den vom Körper halb abgetrennten Kopf hin und her, betastete einmal hier und einmal dort das Federkleid, die Krallen, zog seine Finger heraus,

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