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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Fuchs
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Frauenseite, »die Schutzmantelmadonna, Katharina, Maria Verkündigung …« Versonnen strich Ewald über den ockergelben Verputz des Sandsteins, fuhr die weißen Quaderrillen mit dem Finger nach. Dort, wo die Bischöfe die Wand mit dem heiligen Öl salbten, waren Apostelzeichen als Erinnerung angebracht. Die Durchgänge des Lettners, eine Art hölzerne Begrenzung, die normalerweise die Geistlichkeit vom Volk trennte, war heute zu Ehren des Herzogs geöffnet worden, sodass sich die Festgäste bis zum Gottleichnamsaltar in der Mitte des Chores aufhalten konnten. Gleich bei der Figurengruppe der schlafenden Apostel Johannes, Petrus und Jakobus, stand der Patriarch von Aquileia und winkte unauffällig, aber eindringlich den beiden Burschen, näherzukommen. Als er beide in Empfang genommen hatte, zeigte er auf den Liebfrauenaltar, wo die Braut Beatrix ihr Dankgebet verrichtete und Gottes Segen für ihre noch junge Ehe mit Herzog Albrecht erbat. Nur wenige in der Stephanskirche ahnten, wie notwendig sie göttliche Kraft und Zuspruch benötigen würde, um die auf sie zukommenden Aufgaben zu lösen.

    *

    »Was wollt ihr Weißfrauen hier am Markt? Schert euch zurück hinter eure Klostermauern, ihr Betschwestern, und nehmt ehrbaren Bauern wie uns nicht die Kundschaft weg!« Ein grobschlächtiger Mann, bekleidet mit schäbiger Schürze, verdreckten Beinlingen und mehrmals gestopftem Hemd baute sich in ganzer Größe vor dem Stand Johannas auf. Mit gespielter Abscheu spuckte er ihr vor die Füße, schob seinen speckigen Hut aus der Stirn und sah sie herausfordernd an. Scheinbar unbeteiligt sortierte Johanna ihre Tonkrüge mit dem Essigobst, rührte beflissen in dem großen Fass mit Essiggurkerln, wischte mit einem Lappen über das Holzbrett, das ihr als Tisch diente, und wandte sich scheinheilig zu Yrmel. Diese machte ein Gesicht, als rechnete sie jeden Moment mit einem Ausbruch, der dem des Vesuvs vor 1300 Jahren nicht nachstehen würde – sie kannte Johanna nur zu gut und wusste, dass alles, was jetzt folgen würde, nur Geplänkel auf dem Weg zum großen Donnerwetter war.
    »Also Yrmel, verstehst du den netten Mann hier, weißt du vielleicht, warum sich der so aufregt? Wo doch jeder in Wien weiß«, damit machte Johanna eine ausholende Handbewegung, »also jeder halbwegs gescheite«, hier funkelte sie den Mann, der weiter geringschätzig ihre Ware musterte, an, »also wirklich nur die gescheiten Menschen wissen, dass für die Dauer des Festzuges das Marktrecht aufgehoben ist und jeder, also wirklich jeder seine Ware feilbieten darf!«
    Sie umrundete mit einer Geschwindigkeit, die man ihr mit ihrer Körperfülle nie zugetraut hätte, ihren Stand, kam stampfend vor Wut vor dem Bauern zu stehen und brüllte ihn an: »Aber das darf man von so einem dahergelaufenen Dorftrottel wie dem hier«, damit schleuderte sie ihm ihr essiggetränktes Putztuch über den geöffneten Mund, »wohl nicht verlangen. Vor allem«, und hier schnalzte sie das Tuch gleich zweimal um den Mund des völlig überrumpelten Bauern, »wenn sich dieser Schweinehund nicht zu benehmen weiß und einfach so vor die Ware von rechtschaffenden Büßerinnen spuckt.« Mit einem lauten Klatsch gab sie ihm dann noch eine Ohrfeige, die jedem Rossknecht unten in der Renngasse Ehre gemacht hätte. »Und verkühl dich nicht noch einmal und nenn mich Betschwester, du saublöder Ochs, du damischer!« Damit endete ihre Schimpftirade so schnell, wie sie begonnen hatte.
    Wie wenn rein gar nichts passiert wäre, stellte sich Johanna wieder hinter ihren Tisch und säuselte zuckersüß zu Yrmel: »Also findest du nicht auch, Mädchen, dass die Heiligenkreuzer Mönche heute früh ganz besonders schöne Huchen aus der Donau gezogen haben, und ihre Holzschuhe, also die sind vom Feinsten …« Sie zeigte auf die gut drei Ellen großen Fische und die schön geschnitzten Holzschuhe auf dem Stand der Zisterziensermönche von Heiligenkreuz, die aus den dichten Wäldern südlich der Stadt angereist waren, aber auch in der Stadt einen großen Wirtschaftshof betrieben.
    »Ja und hier die Zwettler, also das Selbstgebraute von denen, alle Achtung!«
    Yrmel nickte betreten. Die umstehenden Leute bogen sich vor Lachen und begleiteten den Bauern, der verdattert seines Weges ging, mit lauten Schmährufen.
    »Mit der Essiggurkerl-Hannerl darfst di net anlegn, Bauer, die macht di schlichtweg zur Sau!«, prustete ein Gemüsehändler los.
    »Du halts Maul«, kam es postwendend von Johanna, »deine

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