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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Fuchs
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den blauen Kleidern und dem gelben Tuch auf der Schulter. Die haben wir heute schon einmal gesehen!«
    »Ach die. Aber da war doch so eine kleinere …« Verlegen biss sich Sander auf die Lippen und senkte den Kopf, um seine roten Wangen zu verbergen. Doch wie immer war das vergeblich. Ewald schien einen sechsten Sinn zu haben, wenn es darum ging, jemanden zu necken, und natürlich wieherte er gleich vor Lachen und zeigte mit dem Finger auf Sander. »Wusste ich es doch. Als du mit deinem Kuhgesicht die Kleine erblickt hast, sind dir die Augen fast aus dem Kopf gefallen! Ja, schau nicht so«, Ewald puffte seinen Freund kameradschaftlich in die Seite, »da kommt sie übrigens.« Damit zeigte er auf eine schlanke, zierliche Gestalt mit hellblonden Zöpfen, die starr hinter der Gruppe her schritt.
    »Wo?«
    »Na da, Sander, hinter dieser Dicken mit den schlechten Zähnen, die den Hintern so dreht!«
    Sander erblickte das Mädchen, das blass mit schreckensgeweiteten Augen dem Zug folgte. »Aber was ist mit ihr?«
    »Was soll sein?«
    »Sie sieht so anders aus als vorhin, irgendwie verzweifelt.«
    »Ach, Sander, das ist eine Dirne. Wahrscheinlich ist ihr ein Freier weggelaufen. Jetzt stell dich nicht so an!«
    »Aber …«, Sander schluckte, »ich geh vielleicht einmal zu ihr und frage sie …«
    Ewald klopfte sich auf die Oberschenkel vor lauter Lachen. »Ja, frag sie nur, ob sie Zeit hat für dich!«
    Wütend wandte Sander den Blick von dem Mädchen und schrie seinen Freund an: »Ich will sie fragen, ob sie Hilfe braucht, du Tölpel!«
    Ewald kicherte. »Sie nicht, aber du vielleicht!«
    »Ach, verschwinde doch, du Dummkopf!« Damit ließ Sander Ewald stehen und wollte sich wieder dem Mädchen zuwenden. Doch als er sich umsah, konnte er sie nirgendwo erblicken. Verstört rempelte er seinen Freund an: »Du Ewald, die ist plötzlich weg. Ich verstehe das nicht. Eben war sie doch noch da!«
    Ewald trocknete sich mit seinem Taschentuch die Augen, die vor lauter Lachen getränt hatten, und unterdrückte einen weiteren Lachanfall: »Lass gut sein, Sander, die hat Kundschaft bekommen. Da musste sie schnell weg, sie kann ihr Gewerbe ja nicht direkt vor dem Dom abwickeln, oder?«
    »Ach was«, zischte Sander wütend zwischen den Zähnen hervor.
    »Komm jetzt, lass diese Hure, wir müssen hinein in den Dom, dort drinnen weilt dein Oheim, und ich glaube ihn gut genug zu kennen, um sagen zu können, er ist schon ein wenig ungeduldig!«
    Unwillig ließ sich Sander in das Innere der Kirche führen und vergaß noch im selben Moment das blasse, verstört wirkende Mädchen. Zu eindrucksvoll war das, was den Jünglingen nun geboten wurde, als sie Sankt Stephan betraten. Sogar Ewald erlebte einen der bei ihm seltenen Augenblicke, wo es ihm gänzlich die Sprache verschlug. Es war den beiden jungen Männern in diesem Moment so, als hätte sich für sie die Pforte in das Himmlische Jerusalem geöffnet.
    Was man bei dieser Kirche außen nur erahnen konnte, bewahrheitete sich innen. In dem hohen Raum mit dem eindrucksvollen Kreuzrippengewölbe blickten die beiden auf den gotischen Chor, der sich an der Ostseite, dort, wo Jesus Christus am Jüngsten Tag auferstehen würde, in seiner ganzen Pracht entfaltete. Jedes der drei gleich hohen Chorschiffe, die durch mächtige Bündelpfeiler getrennt waren, hatte seine besondere Bestimmung, das Mittelschiff war Christus, dem Heiligen Stephanus und allen Heiligen, das nördliche Chorschiff der Gottesmutter, das südliche Schiff den Heiligen Aposteln zugedacht. Die mächtige dreischiffige Chorhalle war durch die bunten spitzbogigen Glasfenster in ein vielfarbiges, mystisches Licht getaucht. Christus mit den sieben Tauben zierte das Fenster des Mittelschiffes. Sander sah hinauf in das nicht enden wollende Gewölbe und konnte die Schlusssteine erkennen. »Schau, Ewald«, flüsterte er, »Jonas mit dem Wal, ein Löwe, der seine Jungen zum Leben erweckt. Da auf der Frauenseite ein Pelikan, ein Phönix und hier …«
    »… die Jungfrau mit dem Einhorn«, vollendete Ewald den Satz. Ehrfürchtig glitt der Blick der beiden ein Stück nach unten zu den Wänden des Chores, wo in mehr als fünf Metern Höhe Nischen mit turmartigen Baldachinen eingelassen waren. »Laurentius, Stephanus, Christophorus … alle sind sie da«, murmelte Ewald ergriffen und betrachtete die Skulpturen mit den liebevoll ausgeführten Details und dem geschwungenen Faltenwurf der Gewänder.
    »Und hier«, Sander zeigte auf die

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