Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
sah sie, wie Yrmel sich die Hand vor den Mund schlug und wie ein Wildschwein nach dem Abschuss röchelte. Jeder, der die stumme Yrmel nicht kannte, hätte wahrscheinlich gedacht, dass das Mädchen zu ersticken drohte, doch das Gegenteil war der Fall. Wenn die ansonsten so zurückhaltende Yrmel röchelte, dann war das ein sehr gutes Zeichen! Dann lachte sie aus vollem Herzen! Mit dem Finger zeigte sie auf ein selten dickleibiges Mannsbild, das sich in ein auffallend grün gemustertes Gewand gehüllt hatte und aussah wie ein aufgeblasener Frosch.
Selbst Johanna konnte ein kurzes Auflachen nicht verhindern. Sein Kopf sah aus wie eine überreife Birne, rot und gelb, seine Nasenlöcher blähten sich, und seine Hände, die am runden Körper wie zwei zu kurz geratene Flügel wirkten, ruderten auf und ab.
»Eigentlich hat er Glück, denn wenn der Festzug noch ein Stückerl weiter gehen würde, dann könnten wir ihn vom Pflaster klauben, so fertig ist der!«
»Jetzt seid’s still«, warnte Barthel, »das ist der Bischof von Passau!«
»Oh!«, kam es von Johanna, und schnell schauten sie und Yrmel in die andere Richtung.
Den Bischof von Passau sah man in Wien nicht so gern. Er repräsentierte das Bistum, dem die Stadt unterstand. Jahrelang schon wollten die Wiener ihr eigenes Bistum, aber vergebens. Passau klammerte sich an die Macht wie ein Ertrinkender an eine Holzplanke. Wien war zu kostbar, um aufgegeben zu werden. War der Bischof nicht in der Stadt, so übertrug er seine Macht einem bestellten Offizial. Der lebte recht gut in einem Haus in der Bäckerstraße nahe der Universität und liebäugelte bereits mit einer zweiten Niederlassung auf dem Salzgries, nahe der Kirche Maria am Gestade.
»Stimmt es eigentlich, dass sich der Offizial einen Garten rund um sein Gut hat anlegen lassen?«, fragte Johanna Barthel, der auf seinen Rundzügen durch die Bierbeisln und Weinschenken immer genauestens informiert war.
Prompt kam es von ihm: »Der Garten ist nicht alles, er hat sich auch ein Bad einrichten lassen … und man erzählt schon ein paar pikante Gschichten, dass die Pfaffen auch keine Kostverächter sind.«
»Da brauch ich kein Gschichten, das weiß ich so«, murmelte Johanna und beobachtete weiter den Festzug.
»Ja mei, is des net die Ursel?«, rief Johanna plötzlich freudig, sodass Barthel und Yrmel sie erstaunt ansahen, weil sie dem plötzlichen Stimmungsumschwung der Essig-Hannerl nicht so schnell folgen konnten.
»Wer?«, fragte Barthel verdutzt.
»Geht di nix an, und jetzt schau, dass d’ ma ausm Weg gehst!« Damit rempelte Johanna Barthel auf die Seite und ging mit ausgebreiteten Armen der dicken, großbusigen, in neues Blau gekleideten Ursel entgegen.
»Ja, die Hannerl. Des is aber a Freid, dass wir uns do treffen! Wie geht’s dir?« Ursel umarmte Hanna so stürmisch, dass ihr gelbes Tüchel sich in der Haube Johannas verhedderte, und beide Mühe hatten, wieder voneinander loszukommen.
Als sie endlich wieder lachend und prustend dastanden, meinte Ursel zwinkernd: »Es will wieder zu dir, das Tüchel, liebe Johanna. Und wir anderen hätten dich auch wieder gern bei uns.«
»Ja die Hannerl«, riefen da Trude und Fronika und winkten von Weitem, »geh kumm mit mit uns.«
»Na danke«, wehrte Johanna ab, »die Zeit is für mi vorbei!« Sie sah sich suchend um und fragte Ursel: »Wo ist denn die Dorthe, die hab ich schon so lang nicht mehr gsehn!«
Ursel drehte sich um: »Du, i weiß net, eben waren’s noch beide da, die Elsbeth mit der Dorthe, dort gleich hinter uns, aber es wird sie wohl jemand aufghalten haben.« Damit zwinkerte sie schelmisch und drehte sich in ihrem blauen Kleid. »Was sagst, Hannerl, ein Geschenk vom Herzog, zur Hochzeit, dass wir auch recht manierlich anzuschaun sind. Willst net auch so was, dein Weißfrauenhabit schaut ma recht rau und schleißig daher.«
»Na, lass mal, Ursel, des passt schon.« Hanna sah sich weiter suchend nach Dorthe um, konnte aber nur ein verschüchtertes blondes Mädchen allein daher laufen sehen.
Ursel, die inzwischen mit einem am Rand des Festzugs stehenden potenziellen Freier geliebäugelt hatte, meinte abwesend: »Du, ich muss jetzt weiter, Johanna, weißt eh, heute ist viel Gschäft. Pfiati Gott und meld dich mal bei uns in der Laimgruben, da können ma dann ratschen.«
»Ja, Servus, Ursel, lass ma alle schön grüßen«, antwortete Johanna, die sich beim Anblick des Freiers, der bereits besitzergreifend einen Arm um die blausamtenen ausladenden
Weitere Kostenlose Bücher