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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Fuchs
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er wieder warten, sich unsichtbar machen, den Menschen zusehen, wie sie sich unterhielten, wie sie aßen und tranken, wie sie tanzten und liebten. Er war immer Zuschauer und Wartender. Er diente ihnen, ließ sich herumkommandieren und war ihr Gefangener. Aber das machte ihm nichts aus, denn er wusste, dass seine Zeit kommen würde, denn er war der stärkere, er war der mächtigere. Immer wieder war es die Zeit davor wert, denn zu groß war die Genugtuung danach. Das beengte, aber doch sichere Gefühl unter der Haube, das Geräusch des surrenden Lederriemens, den erst erstaunten, dann panischen Blick des Opfers, wenn die Luft knapp wurde, wenn er mit seinen Marterwerkzeugen zu spielen begann, die entstellte Fratze des Todes, das blau angelaufene, verschwollene Gesicht. Was er übrig ließ, darum konnte er sich nicht kümmern. Es war nicht schade um die Weiber, die ewig nörgelnden, um Aufmerksamkeit heischenden, liederlichen Weiber. Ein Triumph war es, wieder eine erledigt zu haben, eine weniger, die ihm sagte, was er zu tun hatte, die ihn einengte, am Atmen hinderte. Frei und ungebunden – wieder ein Stück mehr Luft zum Atmen – wieder ein Stück Dreck weniger. Und er lachte und freute sich, breitete seine Arme aus und atmete die kühle Morgenluft.

    *

    Es war ruhig geworden in der Klosterküche. Stille breitete sich in der dämmrigen Stube aus, nur das Feuer im Herd prasselte und brachte das Wasser im Kessel zum Brodeln. Müde legte Johanna frische Hühnereier ins Kochwasser und sah zu, wie der Wasserdampf in weißen Schwaden bis unter die niedrige Decke stieg. Es war sehr ungewöhnlich, dass sie so alltäglichen Dingen Aufmerksamkeit schenkte. Viel zu viel war heute geschehen, und ein ungutes Gefühl im Bauch sagte ihr, dass der Tag noch nicht gewonnen war, und weitere Schwierigkeiten gleich Dämonen in den finsteren Ecken der Küche lauerten, wo in Truhen das Getreide lagerte, in braunen Säcken Kohlköpfe und Wurzelgemüse auf die Verarbeitung warteten, und Krüge voll mit Öl, saurer Milch, Honig und Schmalz standen. Das ganze Sammelsurium von Lebensmitteln, das sonst so vertraut war, schien Johanna heute unheimlich, und sie fühlte sich, als wäre sie in schwarze Watte gepackt, als würde sie alles nur gedämpft wahrnehmen und rundherum im Dunkeln stehen. Ihre heile Welt der Kochlöffel, Nudelhölzer, Pfannen und Töpfe ließ sie heute im Stich, gab ihr nicht den Halt wie sonst, sondern ließ sie Unordnung und Chaos erahnen. Johanna kannte dieses Gefühl. Es kam immer, wenn der Tod an die Tür geklopft hatte, wenn Gewalt und Verbrechen zu nahe herangeschlichen waren und ihre spinnenartigen Klauen nach den Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung ausstrecken wollten. Sie seufzte schwer, als sie an die letzten Stunden dachte. Nachdem die Stadtguardia neuerlich erschienen war, um sich nach dem Befinden des Mädchens zu erkundigen, war sie schon erledigt. Als die Barbel neuerlich mit Petersilie und einem Glücksbringer die Küche gestürmt hatte, war sie ziemlich zornig, weil es der Alten doch nur um den Tratsch ging und gar nicht um das Mädchen selbst. Als Marlen endlich nicht weniger neugierig ihre Nase hereingestreckt hatte, warf sie sie kurzerhand hinaus. Und als Barthel endlich sein breites Hinterteil hob und es Richtung Weinberg bewegte, da war Johanna einfach nur erleichtert. Nun aber hieß es fertigzuwerden mit der Stille, was noch viel schwieriger war. Ein wenig tröstete sie die Gewohnheit und Routine aller Abende, und unendlich dankbar war sie für die unaufdringliche stille Anwesenheit ihrer Küchenhilfe. Denn so wie jeden Tag arbeiteten Johanna und Yrmel Hand in Hand, um die Abendmahlzeit für die Büßerinnen zu bereiten. Eben schnitt die Jüngere zwei Laibe Brot in Scheiben, um dann die Senfeier daraufzulegen, die Johanna zubereitete. Es war im Kloster nicht üblich, an ganz normalen Abenden Schüsseln zu verwenden, und so wurde die Scheibe Brot gleichsam zum Teller, der den Saft der Gerichte aufsog und dann obendrein noch mit verspeist werden konnte. Verstohlen blickte Johanna zu Yrmel, die sie sogleich schüchtern anlächelte. Diesem Mädchen, ja eigentlich der jungen Frau, denn sie zählte schon über 20 Lenze, konnte man nichts vormachen. Sie wusste genau, wer sie gerade mit Aufmerksamkeit bedachte. Ihre Sinne waren geschärft und geschult. Konzentriert schöpfte sie die inzwischen hart gekochten Eier aus dem Kessel, schreckte sie mit kaltem Wasser ab und begann sie zu schälen und in

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