Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
ma mitanand, wia ma da jetzt weitertuan!«
Damit wandte sich Barthel dem Hund zu, sprach beruhigend auf ihn ein und wollte ihn ein wenig von dem Mädchen wegschieben. In dem Moment ertönte ein gellender Schrei. Erschrocken wichen Barthel und Johanna zurück. Das bisher apathisch daliegende Mädchen rang die Arme.
»Nein, nicht!«, schrie sie und klammerte sich panisch an dem Hund fest. Ratlos sahen Barthel und Johanna einander an. Eigentlich wussten sie nicht, was sie nun tun sollten. Da kam Yrmel, die von ihrer Ecke aufgesprungen war und sich wieder in die Küche getraut hatte, an die Seite des Mädchens und strich ihr über das nasse Haar. Augenblicklich beruhigte sich die Kleine, und ihr verzerrtes Gesicht nahm entspannte Züge an. Dann versuchte Yrmel, den Hund mit einem Stück Fleisch so weit abzulenken, dass Barthel sich wieder dem Mädchen widmen konnte. Ausgehungert, wie das Tier war, gelang das ganz gut. Der Hund lief Yrmel nach und verschlang gierig das Stück Fleisch. Johanna betrachtete die ganze Szene mit blankem Abscheu, doch bevor sie sich beschweren konnte, bat Barthel sie um Hilfe. Er versuchte, das wieder teilnahmslos in die Gegend blickende Mädchen auf einen Stuhl zu setzen. Noch ehe das Mädchen sein schmales Gesäß am Sessel hatte, kam schon wieder der Hund und presste seinen schmutzigen, mageren Leib an ihre Unterschenkel. Yrmel stellte sich hinter das Mädchen und stützte es. Johanna und Barthel setzten sich gegenüber und musterten dieses Geschöpf, das in aller Frühe ihrer Obhut übergeben worden war, genauer.
Just in diesem Moment polterte es an der Tür, und eine völlig aufgelöste Marlen stolperte in die Küche. Johannas Blick glitt genervt zur niederen Decke. Barthel räusperte sich, und Yrmel gestikulierte hektisch und legte einen Finger über den Mund. Doch Marlen bekam von dem allen nichts mit – oder wollte nichts mitbekommen. Mit vor Neugier glänzenden Augen baute sie sich vor dem Mädchen auf und meinte: »Also du bist die Neue?«
»Marlen«, knurrte Johanna.
»Wir haben es gesehen. Die Stadtwache meine ich, als wir aus der Kirche gekommen sind.«
»Mag sein, aber …«, setzte Johanna wieder an.
»Stimmt das, dass du auf einer Leich gelegen bist, also ich weiß nicht? Ich finde das schon ein bisschen … seltsam. Ich würde ja …«
»Marlen«, brüllte Johanna jetzt, »es reicht, ein Wort noch, und ich weiß nicht, was ich tu mit dir!«
Barthel blickte besorgt in das Gesicht des Mädchens, das kaum merklich zusammengezuckt war. Doch sie blieb stumm.
»Jetzt tu nicht so, sag schon, wie ist das auf so einer Leiche? Also ich stell mir das so grauslich vor, nein, so grauslich!«
Johanna und Yrmel sprangen gleichzeitig auf. Yrmel schob Marlen zur Tür, Johanna drückte ihr die Holzschüssel mit dem Haferbrei in die Hände und meinte knapp: »Das bringst du der Meisterin. Beeil dich, sie wartet darauf, und untersteh dich«, damit bohrte sie ihre Finger fest in die Oberarme der Nonne, »auch nur ein Wort über das Mädchen da draußen bei den Büßerinnen zu verlieren. Untersteh dich!« Warnend hob Johanna den Arm, wie wenn sie im nächsten Moment zuschlagen würde.
»Ja, ist ja schon gut«, murmelte Marlen, duckte sich, nahm die Holzschüssel in die Hand und drehte sich zur Tür. »Ich versteh das nicht. Da ist endlich einmal was los bei uns, und ich darf nicht darüber reden und noch nicht einmal was darüber wissen. Das ist ungerecht.«
»Marlen, du bist Nonne, du hast Schweigegebot, und Gerechtigkeit allein bekommst du vom Herrn, deinem Gott. Doch wie es aussieht, wirst du sowieso im Fegefeuer schmoren. Aber das, liebe Marlen, wird wie ein Furz sein im Vergleich zu dem Donnerwetter, das dich von mir erwartet. Und jetzt schau, dass du weiterkommst!«
Mit einem lauten Krachen schloss Johanna die Tür hinter Marlen und wandte sich wieder den anderen zu. Stille breitete sich aus, unterbrochen vom Knacken und Pfauchen des brennenden Holzes in der Feuerstelle. Niemand sagte ein Wort. Yrmel streichelte sanft den Hinterkopf des Mädchens, das nach wie vor regungslos auf die Tischplatte starrte. Barthel musterte eingehend die Kleine und plötzlich erhellten sich seine Gesichtszüge: »Ach deswegen haben sie dir dieses Kuckucksei in die Küche gelegt!«
Barthel tippte das Stück Stoff an der Schulter des Mädchens leicht an. Obwohl es nass und verschmutzt war, an einer Ecke sogar eingerissen, konnte man unschwer das gelbe Tüchel der Wiener Dirnen erkennen.
»Habens
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