Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
befreit. Die Herzogshochzeit war Vergangenheit. Er, Hofmeister Fichtenstein, hatte seine Rolle als treusorgender Untertan glänzend gespielt, die nötigen Verbindungen für noch mehr Besitz geknüpft und die lukrativsten Freundschaften gepflegt. Kurz – er hatte sich so wie schon während des letzten Dezenniums, wo er im Dienste der Habsburger stand, skrupellos bereichert. Mehr als zwei Dutzend Burgen, eine Handvoll Städte und eine ganze Menge an Gütern konnte er jetzt sein Eigen nennen. Und er hatte vor, weiter in dieser Richtung zu verfahren. Zu verlockend waren der Luxus und das Geld, zu sehr konnten irdische Güter seine innere Leere zwar nicht ganz füllen, aber doch wirksam betäuben. Sein Dienstherr, der Herzog, zu beschäftigt damit, die Nachfolge seines großen Ahnherrn Rudolf der Stifter redlich zu erfüllen, bemerkte rein gar nichts. Albrecht, hin und her gebeutelt zwischen dem Hause Luxemburg, den Bayern, immer bedacht, König Wenzel, dem Nachfolger Kaiser Karls IV. zu Diensten zu sein, hatte anderes im Sinn, als sich mit dem Vermögenszuwachs seines Hofbeamten auseinanderzusetzen. Fichtenstein wusste das und hatte alle Zeit der Welt, denn die Geduld Albrechts wurde gerade eben von der Hausordnung der Habsburger, die die Unteilbarkeit der Länder vorsah, über die Maßen strapaziert. Bedrängt von seinem jüngeren Bruder Leopold, musste er alles daran setzen, einen Bruderkrieg und damit den endgültigen Bruch zu verhindern. Wie gut, dass ihm da sein eben an die Seite getretener Schwiegervater, der Burggraf von Nürnberg, zu Hilfe kam und vermittelte. Beiden Habsburgern, Albrecht und Leopold, wurde jetzt zumindest eine eigenständige Außenpolitik zugebilligt. Fichtensteins Meinung nach würde das eine drohende Teilung der Länder nicht verhindern, aber zumindest hinauszögern und seinen Untertanen das trügerische Gefühl einer einzigen, starken und funktionierenden Hausmacht vorgaukeln. So war Albrecht gerade im Begriff, eine Preußenreise anzutreten, eine reine Geste der Machtbezeugung, die ihn über Laa, Breslau, Marienburg bis nach Königsberg führen sollte. Fichtenstein schüttelte schon bei dem Gedanken an die 2000 Pferde mit prächtigem Gefolge und 50 ritterlichen Dienstmannen den Kopf – all das Gepränge, um angeblich Heiden auszurotten. War es doch ein unausgesprochenes Geheimnis, dass hier reine Barbarei betrieben wurde und ganze Bauerndörfer abgefackelt und die Bewohner abgeschlachtet wurden. Dem Heldenmut zuliebe, um Christi willen! Einfach lächerlich! Da blieb Fichtenstein schon lieber in Wien, in seiner Stadt und kochte sein eigenes Süppchen. Umso mehr, als Beatrix, die neue Herzogsgattin, natürlich an der Reise teilnahm. Sie reiste ein Stück mit, bis Nürnberg, um ihre Familie zu beehren. Mit ihr würde sich ein ganzer Tross hochwohlgeborener und kirchlicher Würdenträger ebenfalls auf den Weg machen und Städte wie Augsburg, Regensburg oder Passau mit dem zweifelhaften Vergnügen ihrer Präsenz beehren. Wien hatte es geschafft, die Stadt gehörte wieder sich selbst, bis zur nächsten Feierlichkeit, die hoffentlich noch in ferner Zukunft lag.
Der Morgen im Mai war frisch, ja geradezu kalt, und Fichtenstein schlug sich schnell die Kapuze seiner schwarzen Gugel über den kahlen Kopf. Sein Schritt war rasch, bestimmt und doch leise. Er setzte seine Füße in den Schuhen aus weichem dunklem Leder behutsam auf. Behände und federnd war sein Gang, und nie und nimmer hätte man ihm die zahlreichen Lenze zugetraut, die er bereits hinter sich hatte. Zufrieden atmete er die Morgenluft ein, die Stille tat ihm gut. Er streckte seinen schlanken, ja fast schon hageren Körper und reckte sein markantes Kinn in die Höhe. Seine Nasenflügel bebten, als er die Luft frei vom Gestank nach Fettgebratenem, Kraut, Wein und Bier einatmete. Er schüttelte sich, zu präsent war noch das Durcheinander an Schweiß, Essensdüften und Tiermist, das beim Festzug auf ihn einstürmte. Raschen Schrittes durchquerte er das Peilertor und ließ die Tuchlauben, wo er in einem seiner zahlreichen herrschaftlichen Häuser in der Stadt genächtigt hatte, hinter sich. Sein Blick heftete sich auf das hohe Spitzdach des Tores, schweifte zu den drei kleinen Fenstern unterhalb und bemerkte die breite, wuchtige, von den Jahren geschwärzte Gesimsmauer, die das Tor als eines der ältesten der Stadt auswies. Erbaut wurde es vom Vermögen der Wiener Bürgerschaft. Also jener Leute, die ihm die Zornesfalten an diesem so
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