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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Fuchs
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ich mir den so anseh, wie er einherstelzt!«, damit zeigte Matthis grinsend auf die hagere schwarz gekleidete Gestalt des Hofmeisters, der mit weiten, ausgreifenden Schritten und einer wehenden Gugel seinen Weg zum Dom fortsetzte, »dann schaut mir das eher nach einem Raben statt einer Taube aus.« Vergessen waren die Dirne und das Mädchen, die beiden lachten schon wieder und freuten sich auf einen Tag ohne die Hofgesellschaft. Einen Tag, wo Faulheit und Frohsinn, wo Müßiggang und Laster die Hauptrolle spielen sollten.
    Anders Johann Fichtenstein, er hasste Frohsinn und Müßiggang, weil er beides nicht kannte. Laster und Faulheit verachtete er, weil es ihn an der Vermehrung seiner Reichtümer hinderte. Und doch gelang es ihm nicht, vor dem, was ihn störte, wegzulaufen. Auch diesmal konnte er sich dem Bild, das sich in seinem Kopf formte, nicht entziehen. Die Dirne, das Gesicht blau und geschwollen, die Zunge halb aus dem verzerrten Mund hängend, Stichwunden am Rücken, eine Strieme eingedrückt um den Hals. Ein junges Mädchen, bleich, verschreckt … Beklommen beschleunigte er weiter seine Gangart und wusste dennoch, dass er seinen inneren Ängsten, die ihn gleich den Klauen eines Basilisken zu umschlingen drohten, kaum entkommen würde. Zu bekannt war ihm dieses Gefühl, immer öfter überkam ihn die namenlose Furcht, das Empfinden, den Boden unter den Füßen zu verlieren, in Schmutz und Schlamm zu treiben. Aber nur noch ein kleines Stück, sagte er sich und versuchte einen Halt zu finden im Treibsand seiner Beklemmung. Die Stephanskirche war nicht mehr weit. Er hetzte den Grünmarkt entlang, und längst hatten seine Bewegungen Anmut und Grazie verloren, weg war die Behändigkeit, die Überlegenheit. Sie hatten einer stockenden und taumelnden, armen Gestalt Platz gemacht. Pfeifend ging sein Atem, der Schweiß rann ihm den Rücken hinab. Doch er fühlte seine Rettung nahen, schon grüßten die beiden Heidentürme des Domes, er erkannte das steinerne Astwerk des Riesentores. Nur noch ein paar Schritte, dachte er, nur noch durch das Neidhardttor, vorbei an der Magdalenenkapelle und über den Gottesacker …
    »Nur an halben Pfennig, der edle Herr«, so plötzlich, dass er strauchelte, stellte sich ihm ein Krüppel, in bunte, abgetragene Fetzen und Lappen gehüllt, in den Weg. Unverkennbar ausgestattet mit dem Bettelzeichen, dem gelben Tüchel um den Hals, bat dieser erneut laut um Almosen. »Nur einen halben Pfennig, der edle Herr.« Mit schreckensgeweiteten Augen, zitternden Gliedern und stoßweisem Atem wich Fichtenstein vor den ausgestreckten mit Grind und Aussatz übersäten Unterarmen des Bettlers zurück, sodass er das Gleichgewicht verlor und nach hinten kippte. Schnell rappelte er sich mit letzter Kraft auf, stieß den Krüppel brutal zur Seite und erreichte in großen unregelmäßigen Tritten das Riesentor des Doms. Ein tiefer Atemzug und dann noch einer, um sich zu sammeln und die Schwelle in das Gotteshaus zu überschreiten. Gleich wandte er sich nach rechts zur Eligiuskapelle. Einem Verdurstenden gleich drängte es ihn nun an die linke Seite des Bischofstores. Völlig ermattet legte er seine Hand auf einen Stein, den Rudolf der Stifter aus dem eine Tagereise entfernten Stockerau hierher bringen und in die Wand hatte einmauern lassen. Just an dem Platz, wo der heilige Koloman seinen letzten Atemzug getan hatte, füllten sich seine Lungen wieder mit Luft. Hier, wo der Pilger aus Jerusalem sein Martyrium erfahren hatte, fühlte er sich wieder unter den Lebenden. Wo Kolomans Märtyrerblut geflossen war, zauberte seines wieder Farbe in seine fahlen Wangen. Dieser Stein, dieses Kleinod an Frömmigkeit und Anbetungswürdigkeit, vermochte es, Furcht und Beklemmung aus der Seele des Fichtensteiners zu pressen. Schade eigentlich, dass dieser Stein so öffentlich ausgestellt war. Wie viel intimer und ehrfurchtsvoller wäre es, wenn nur er das Vergnügen hätte, dieses Heiligtum zu besitzen, es berühren zu können, wann immer er wollte, ohne die neugierigen Blicke der anderen Leute, des Pöbels, der Dummen und Kranken, der Aussätzigen, der Weiber und Dirnen! Augenblicklich, als seine Finger die kühle Vertiefung im Stein berührten, wurde ihm leichter. Geschafft! Wieder einmal hatte die Wundertätigkeit der Heiligtümer die Unzulänglichkeit alles Irdischen besiegt. Sein Herz schlug regelmäßig und kräftig, seine Ängste glichen schwarzen Krähen, die sich krächzend erhoben und himmelwärts

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