Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Johanna etwas Zeit zum Verschnaufen blieb, legte sich sogleich ihre Sorge um Gretlin wie ein Gewicht auf den Magen. Was sollte sie heute der Meisterin nur sagen? »Das ist Gretlin, sie will gern bei uns bleiben. Eigentlich ist sie nur unter Aufsicht für Hilfsarbeiten zu gebrauchen, weil sie den ganzen Tag herumträumt, aber dafür kann sie herrliche Haarbänder sticken …« Nein, das wird wohl nicht funktionieren. »Das ist Gretlin, eine Jungfrau, sie will gern bei den ehemaligen freien Töchtern bleiben und weiter an ihren kleinen Täschchen und Börsen arbeiten …« Das ging wohl auch nicht. »Wenn Sie möchten, Meisterin, kann Ihnen Gretlin eine herrliche Schärpe sticken, die würde ganz hervorragend zu Ihrem grauen Habit passen …« Einfach lächerlich war das Ganze. Seufzend wandte sich Johanna zu Yrmel, die den Krug noch immer nicht öffnen konnte. »Was ist denn los, geht das nicht schneller?« Ratlos zeigte Yrmel auf das runde Holz, das mit einem Stofftuch umwickelt in der Öffnung des Kruges steckte und beim besten Willen nicht herauszubekommen war. »Ach gib her , aber halt mir den Hund!«, damit drückte Yrmel Weinberl sanft aber bestimmt in das Badewasser, und Johanna zog und zerrte am Holz und am Tuch, solange, bis das Tuch riss. »Schmarrn. Wir müssen bei den nächsten Abfüllungen eine bessere Qualität nehmen, die alten Fetzen sind zu brüchig. Wenn man bessere Stofffetzen nimmt, dann sieht das auch für den Verkauf schöner aus. Stell dir vor, die Kunden bekommen ihr Mailufterl nicht auf, weil der Verschluss schäbig ist. Nein, da muss schon alles zusammenpassen.« Damit und mit einer weiteren Kraftanstrengung schaffte es Johanna schließlich, den Krug zu öffnen und Weinberl in eine weitere Lavendelessig-Wolke zu hüllen. Yrmel gab mit einer eindeutigen Handbewegung zu verstehen, dass sie Schere und Messer holen wollte, und nachdenklich massierte Johanna den Hund, dem inzwischen schon alles gleich war und der, so hatte es den Anschein, mittlerweile genoss, dass er von Schmutz und Ungeziefer befreit wurde. Zweifelnd sah sich Johanna den zerrissenen Stoff und den Holzpfropfen an und wurde sehr still, eine ganze Weile lang.
»Übrigens …«, setzte sie ruhig an, »ich muss heute noch vor der Terz zur Meisterin, und du gehst mit!«
Gretlin, die bisher ratlos herumgestanden war und mit der Spitze ihrer zerschlissenen Schuhe ein Muster in die Erde des gestampften Innenhofes geritzt hatte, fuhr erschrocken auf: »Aber wer sagt das, dass ich da hinmuss?«
»Na ich sag das«, meinte Johanna ungerührt und schrubbte den Nacken des Tieres. Gretlin sah sie nur gebannt und starr an.
»Also, was ist, Mädel, was glotzt du so? Ich gehe zur Meisterin, du kommst mit. So einfach ist das.«
Noch immer sagte Gretlin kein Wort, nur eine Träne rann ihr die blasse Wange herunter.
Yrmel kam herbei, in der einen Hand ein scharfes Messer und in der anderen ein gebogenes Metallstück, das beiderseits in zwei flachen scharfen Schneiden endete und Johanna unschwer als ihre beste Schere identifizierte.
»Also jetzt kommt her, ihr beiden«, meinte sie aufmunternd zu Gretlin und Yrmel, »und haltet mir des Weinberl fest.«
Gretlin hielt den Kopf des Hundes und murmelte beruhigende Worte, Yrmel hielt das Hinterteil. Unverzagt und entschlossener denn je begann Johanna, dem Hund das nasse verfilzte Fell abzuscheren. Beginnend beim Nacken über den Rücken bis zum Hinterteil. Ganze Lagen von stumpfen braunen Haarbüscheln fielen in den Zuber. Unermüdlich verwendete Johanna erst das Messer und danach um die Ohren, an den Vorder- und Hinterläufen und an der Kehrseite ihre Schere. Was da zum Vorschein kam, erstaunte die drei Frauen nicht wenig. Unter den Schichten dunkelbraunen verdreckten Haaren kam das eigentliche Fell der Hündin zum Vorschein. Kastanienfarben am Rücken, an der Schnauze, die jetzt dank des Essigs nicht mehr verklebt, sondern seidig weich war, etwas heller, wie der obere Teil einer Haselnuss. Der Schweif, von Kletten und Filzen befreit, glänzte in hellem Braun.
»Ja, das gibt es ja nicht!« Johanna hatte sich als Erste von der Überraschung erholt, »da heißt es immer Kastanien aus dem Feuer holen …Wir holen Kastanien aus dem Essig hervor. Ja Weinberl, was bist du denn für ein schöner Hund!«
Wie wenn sie verstanden hätte oder aus schierer Überraschung, weil sie so nette Worte noch nie aus dem Mund Johannas gehört hatte, wedelte die Hündin, dass das Wasser nur so
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