Das Geld - 18
Katastrophe. Sie fand sich nicht mehr zurecht, es gab sogar Stunden, da sie ihn noch mehr bewunderte, voll jener grenzenlosen Zuneigung, die sie für ihn hegte, obwohl sie die Achtung vor ihm verloren hatte. Nie hätte sie geglaubt, daß ihr Herz so schwierig sei, sie fühlte sich als Frau, sie fürchtete, nicht mehr handeln zu können. Und deshalb war sie so froh über die Rückkehr ihres Bruders.
Gleich am Abend von Hamelins Rückkehr wollte ihm Saccard im Zeichensaal, wo sie nicht gestört werden konnten, die Beschlüsse unterbreiten, die der Verwaltungsrat gutheißen sollte, bevor sie der Generalversammlung vorgelegt wurden. Aber die Geschwister fanden sich wie durch stillschweigende Vereinbarung vor der verabredeten Zeit ein, so daß sie einen Augenblick allein waren und plaudern konnten. Hamelin kehrte sehr froh zurück und war hochbeglückt, daß er die verwickelte Eisenbahnangelegenheit in diesem Lande des Orients, das so träge dahinschlummerte und wo es so viele politische, administrative und finanzielle Hindernisse gab, zu einem guten Ende gebracht hatte. Jedenfalls war der Erfolg komplett, die ersten Arbeiten sollten anlaufen, allerorten würden Bauplätze entstehen, sobald die Gesellschaft in Paris gegründet wäre. Und er zeigte sich so begeistert, blickte mit soviel Vertrauen in die Zukunft, daß dies für Frau Caroline ein neuer Grund zum Schweigen war, sie brachte es nicht übers Herz, ihm diese große Freude zu verderben. Indessen äußerte sie Zweifel, warnte ihn vor der übertriebenen Begeisterung, die das Publikum mitriß. Er unterbrach sie, schaute ihr ins Gesicht. Wußte sie etwas Verdächtiges? Warum sprach sie nicht? Aber sie sprach nicht, sie hatte nichts Genaues vorzubringen.
Saccard, der Hamelin noch nicht wieder gesehen hatte, fiel ihm um den Hals und umarmte ihn mit seiner südländischen Überschwenglichkeit. Als ihm dann der Ingenieur seine letzten Briefe bestätigt und ihm Einzelheiten über den vollen Erfolg seiner langen Reise erzählt hatte, geriet Saccard ins Schwärmen.
»Ach, mein Lieber, diesmal sind wir die Herren von Paris, die Könige des Marktes … Ich habe auch gut gearbeitet, mir ist eine großartige Idee gekommen. Sie werden gleich sehen.«
Sofort erläuterte er ihm seinen Plan, das Kapital von hundert auf hundertfünfzig Millionen zu erhöhen, indem er hunderttausend neue Aktien emittierte, und gleichzeitig alle Aktien vollzuzahlen, sowohl die alten als auch die neuen. Er würde die Aktie zu achthundertfünfzig Francs ausgeben und sich so mit den dreihundertfünfzig Francs Prämie eine Reserve schaffen, die zusammen mit den Beträgen, die bei jeder Bilanz bereits beiseite gelegt worden waren, fünfundzwanzig Millionen ergab; er brauchte also nur noch einmal die gleiche Summe aufzutreiben, um auf die fünfzig Millionen zu kommen, die für die Vollzahlung der zweihunderttausend alten Aktien notwendig waren. Hier hatte er nun seine großartige Idee gehabt, nämlich eine Überschlagsbilanz für die Gewinne des laufenden Jahres aufstellen zu lassen. Gewinne, die sich seiner Meinung nach auf mindestens sechsunddreißig Millionen beziffern würden. Davon wollte er seelenruhig die fehlenden fünfundzwanzig Millionen nehmen. So würde die Banque Universelle ab 31. Dezember 1867 ein endgültiges Kapital von hundertfünfzig Millionen besitzen, dreihunderttausend voll bezahlte Aktien. Man würde die Aktien vereinheitlichen und als Inhaberaktien ausgeben, um so ihren freien Umlauf auf dem Markt zu erleichtern. Das war der endgültige Sieg, die Idee eines Genies.
»Ja, eines Genies«, rief er, »das Wort ist nicht zu hoch gegriffen!«
Ein wenig benommen, blätterte Hamelin in dem Projekt und prüfte die Zahlen.
»Ich halte nicht viel von dieser überstürzten Bilanz«, sagte er endlich. »Sie wollen da Ihren Aktionären echte Dividenden geben, weil Sie ja deren Aktien vollzahlen; also muß gesichert sein, daß alle diese Summen tatsächlich eingenommen werden. Andernfalls würde man uns mit Recht beschuldigen, fingierte Dividenden ausgeschüttet zu haben.«
Saccard ereiferte sich.
»Wieso! Ich bleibe doch noch unter der Schätzung! Sehen Sie doch, ob ich nicht vernünftig gewesen bin: werden die Dampfschiffahrtslinien, der Karmel, die Türkische Bank nicht höhere Gewinne abwerfen, als ich hier eingetragen habe? Sie kommen mit Siegesmeldungen von dort zurück, alles läuft, die Geschäfte gehen voran, und dann wollen Sie die Gewißheit unseres Erfolgs in Zweifel
Weitere Kostenlose Bücher