Das Geld - 18
er sprach endlich alle ihre Befürchtungen aus, er fand die Ursache für jenes dumpfe Unbehagen, das sie mit dem wachsenden Erfolg immer stärker in sich spürte.
»Ach, diese Spekulation!« murmelte sie.
»Aber wir spekulieren ja gar nicht!« rief Saccard. »Es ist wohl noch erlaubt, seine Papiere zu stützen; wir wären doch wahrhaftig töricht, wenn wir nicht aufpaßten, daß Gundermann und die anderen unsere Aktien nicht entwerten, indem sie gegen uns auf Baisse spekulieren. Wenn sie es bis jetzt nicht groß gewagt haben, so kann das noch kommen. Deshalb bin ich nur froh, eine bestimmte Anzahl unserer Aktien in der Hand zu haben; und ich sage Ihnen gleich: wenn man mich dazu zwingt, bin ich sogar bereit, welche zu kaufen, ja, lieber kaufe ich welche, als sie um einen Centime fallen zu lassen!«
Er hatte diese letzten Worte mit ungewöhnlichem Nachdruck gesprochen, als hätte er den Schwur geleistet, eher zu sterben als sich geschlagen zu bekennen. Dann zwang er sich zur Ruhe und fing mit seiner leicht verzerrten Biedermannsmiene zu lachen an.
»Na also, da gehtʼs schon wieder los mit dem Mißtrauen! Ich glaubte, wir hätten uns ein für allemal über diese Dinge ausgesprochen. Sie hatten eingewilligt, alles in meine Hand zu legen, nun lassen Sie mich auch handeln! Ich will nur Ihr Glück, ein großes, großes Vermögen!«
Er hielt inne und senkte die Stimme, als wäre er selbst erschrocken über die Ungeheuerlichkeit seines Wunsches.
»Wissen Sie überhaupt, was ich will? Ich will einen Kurs von dreitausend Francs.«
Mit einer Gebärde zeichnete er ihn ins Leere, er sah diesen triumphalen Kurs von dreitausend Francs wie einen Stern aufsteigen und den Horizont der Börse entflammen.
»Das ist ja verrückt!« sagte Frau Caroline.
»Sobald der Kurs zweitausend Francs überschritten hat«, erklärte Hamelin, »wird jede neue Hausse zur Gefahr, und was mich betrifft, so habe ich Sie gewarnt, ich werde verkaufen, um nicht an einem solchen Wahnsinn teilzuhaben.«
Aber Saccard begann vor sich hin zu trällern. Das sagen immer alle, daß sie verkaufen wollen, und dann verkaufen sie doch nicht. Er werde sie gegen ihren Willen reich machen. Und wieder lächelte er, sehr liebenswürdig und mit leisem Spott.
»Haben Sie Vertrauen zu mir, ich habe Ihre Geschäfte nicht allzu schlecht geführt, will mir scheinen. Königgrätz hat Ihnen eine Million eingebracht.«
Das stimmte, die Hamelins dachten bloß nicht mehr daran: sie hatten diese Million, die aus den trüben Wassern der Börse gefischt worden war, angenommen. Sie schwiegen einen Augenblick, bleich geworden und jene Unruhe im Herzen, die ehrliche Leute empfinden, wenn sie nicht mehr sicher sind, ob sie ihre Pflicht getan haben. Waren sie selbst schon vom Aussatz des Börsenspiels befallen, von Fäulnis angesteckt in dieser verruchten Welt des Geldes, in der zu leben die Geschäfte sie zwangen?
»Gewiß«, murmelte schließlich der Ingenieur, »aber wenn ich dagewesen wäre …«
Saccard wollte ihn nicht ausreden lassen.
»Lassen Sie doch, Sie brauchen keine Gewissensbisse zu haben: das Geld haben wir Gundermann und Konsorten abgejagt!«
Alle drei lachten. Frau Caroline hatte sich hingesetzt und machte eine Gebärde der Nachsichtigkeit und Resignation. Sollte man sich auffressen lassen, anstatt die anderen aufzufressen? So war das Leben. Man hätte allzu hohe Tugenden besitzen oder ohne Versuchung in der Einsamkeit eines Klosters leben müssen.
»Na also, na also!« fuhr er munter fort. »Tun Sie nicht so, als spuckten Sie auf das Geld: das ist erstens blödsinnig, zum anderen verachten nur die Ohnmächtigen die Macht … Es wäre gegen jede Logik, sich abzurackern und die anderen reich zu machen, ohne sich seinen rechtmäßigen Anteil zu sichern. Da könnten Sie sich ebensogut hinlegen und schlafen!«
Er beherrschte sie beide und gestattete ihnen nicht, auch nur noch ein Wort vorzubringen.
»Wissen Sie, daß Sie bald eine hübsche Summe in der Tasche haben werden? Warten Sie mal!«
Und mit der Ausgelassenheit eines Schuljungen stürzte er an den Tisch von Frau Caroline, nahm Papier und Bleistift zur Hand und reihte Zahlen aneinander.
»Warten Sie, ich rechne es Ihnen aus. Oh, ich weiß Bescheid … Bei der Gründung hatten Sie fünfhundert Aktien, die ein erstes Mal verdoppelt worden sind, dann noch einmal, das macht für Sie gegenwärtig zweitausend. Sie werden also nach unserer nächsten Emission dreitausend besitzen.«
Hamelin wollte ihn
Weitere Kostenlose Bücher