Das Geld - 18
daß Sie ihr gefällig sein möchten …«
»Ach was!« brauste Saccard auf. »Soll sie sich mit den anderen zum Teufel scheren!«
Aber sogleich besann er sich anders und sagte mit einer Gebärde verhaltenen Zornes:
»Soll sie reinkommen, wenn ich ohnehin nicht in Ruhe gelassen werde! Aber durch diese kleine Tür, damit nicht die ganze Herde hinterherkommt.«
Saccard empfing die Gräfin Beauvilliers mit der Schroffheit eines noch ganz aufgeregten Mannes. Nicht einmal der Anblick der stummen, unergründlichen Alice, die ihre Mutter begleitete, konnte ihn beruhigen. Er hatte die beiden Abteilungsleiter hinausgeschickt und dachte nur daran, sie wieder hereinzurufen, um in seiner Arbeit fortzufahren.
»Ich bitte Sie, Frau Gräfin, fassen Sie sich kurz, denn ich bin schrecklich in Eile.«
Mit der Traurigkeit einer gestürzten Königin blieb die Gräfin überrascht stehen.
»Herr Saccard, wenn ich Sie störe …«.
Er mußte ihnen Stühle anbieten. Das junge Mädchen, das mutiger war, setzte sich mit einer entschlossenen Bewegung als erste, indes die Mutter fortfuhr:
»Herr Saccard, ich möchte Ihren Rat erbitten … Ich bin in der peinlichsten Unschlüssigkeit und fühle, daß ich mich allein nie werde entscheiden können …«
Und sie erinnerte ihn daran, daß sie bei Gründung der Bank hundert Aktien genommen, die sich bei der ersten Kapitalerhöhung verdoppelt und bei der zweiten noch einmal verdoppelt hatten, so daß sie heute insgesamt vierhundert Aktien besaß, auf die sie den Betrag von siebenundachtzigtausend Francs, Prämien einbegriffen, eingezahlt hatte. Außer ihren zwanzigtausend Francs Ersparnissen hatte sie also siebzigtausend Francs auf ihren Pachthof Les Aublets aufnehmen müssen, um diese Summe bezahlen zu können.
»Nun aber«, fuhr sie fort, »finde ich heute einen Käufer für Les Aublets … Und nicht wahr, es ist doch die Rede von einer neuen Emission, so daß ich vielleicht unser ganzes Vermögen in Ihrem Hause anlegen könnte.«
Saccard beruhigte sich. Er fühlte sich geschmeichelt, als er die beiden armen Frauen, die letzten eines großen, alten Geschlechts, so vertrauensvoll und so ängstlich vor sich sah. Schnell gab er ihnen mit einigen Zahlen Auskunft.
»Eine neue Emission, ganz recht, ich beschäftige mich gerade damit … Die Aktie soll mit der Prämie achthundertfünfzig Francs kosten … Wollen mal sehen, Sie haben vierhundert Aktien, sagen wir. Also werden Ihnen zweihundert zugeteilt, wofür Sie hundertsiebzigtausend Francs einzahlen müssen. Dann sind aber alle Ihre Aktien voll bezahlt. Sie besitzen sechshundert Aktien, ohne jemand etwas zu schulden.«
Sie begriffen nicht, er mußte ihnen diese mittels der Prämie getätigte volle Bezahlung der Aktien erklären; und angesichts dieser großen Zahlen wurden sie ein wenig blaß, bedrückt von dem Gedanken, daß sie einen so verwegenen Coup wagen sollten.
»Mit dem Geld«, murmelte schließlich die Mutter, »käme es hin … Man bietet mir zweihundertvierzigtausend Francs für den Pachthof, der früher vierhunderttausend wert war; wenn wir die bereits geliehene Summe zurückerstatten, bleibt uns gerade so viel, die Einzahlung zu leisten … Aber mein Gott, wie schrecklich ist es, das Vermögen zu veräußern, unsere ganze Existenz so aufs Spiel zu setzen!«
Ihre Hände zitterten, und es herrschte Schweigen, während sie an dieses Räderwerk dachte, das ihr zuerst die Ersparnisse, dann die geborgten siebzigtausend Francs und jetzt den ganzen Pachthof zu entreißen drohte. Ihre alte Achtung vor dem Landbesitz in Äckern, Wiesen und Wäldern, ihr Widerwille gegen den Schacher mit Geld, gegen dieses niedrige, ihres Geschlechts unwürdige Gewerbe der Juden, kehrten wieder und ängstigten sie in dieser entscheidenden Minute, da alles aufgebraucht werden sollte. Stumm schaute die Tochter sie aus ihren glühenden reinen Augen an.
Saccard lächelte ermutigend.
»Freilich, Vertrauen müssen Sie schon zu uns haben … Bloß, die Zahlen sind da. Prüfen Sie sie – mir scheint, es kann dann kein Zaudern mehr geben … Nehmen wir an, Sie machen das Geschäft. Sie haben also sechshundert Aktien, deren volle Bezahlung Sie die Summe von zweihundertsiebenundfünfzigtausend Francs gekostet hat. Nun, der durchschnittliche Kurs steht heute bei dreizehnhundert Francs, was für Sie insgesamt siebenhundertachtzigtausend Francs ergibt. Sie haben Ihr Geld schon mehr als verdreifacht … Und das geht so weiter, nach der Emission werden Sie die
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