Das Geld - 18
unterbrechen.
»Nein, nein! Ich weiß, Sie können sie bezahlen, einmal mit den dreihunderttausend Francs aus Ihrer Erbschaft, dann mit Ihrer Million von Königgrätz … Schauen Sie: Ihre ersten zweitausend Aktien haben Sie vierhundertfünfunddreißigtausend Francs gekostet, die nächsten tausend werden Sie achthundertfünfzigtausend Francs kosten, macht insgesamt eine Million zweihundertfünfundachtzigtausend Francs … Also bleiben Ihnen noch fünfzehntausend Francs für Ihr Junggesellenleben, ganz zu schweigen von Ihren dreißigtausend Francs Gehalt, die wir auf sechzigtausend erhöhen werden.«
Wie betäubt hörten ihm die beiden zu und interessierten sich schließlich brennend für diese Zahlen.
»Sie sehen also, Sie sind ehrlich und bezahlen, was Sie nehmen … Aber das sind ja alles nur Bagatellen. Ich wollte damit folgendes sagen …«
Er stand auf und schwenkte triumphierend das Blatt Papier.
»Zum Kurs von dreitausend Francs bringen Ihnen Ihre dreitausend Aktien neun Millionen.«
»Wieso zum Kurs von dreitausend Francs!« riefen sie aus und hoben abwehrend die Hände gegen diesen unverbesserlichen Wahnsinn.
»Aber sicher! Ich verbiete Ihnen, eher zu verkaufen, ich werde Sie daran zu hindern wissen, jawohl, mit Gewalt, mit dem Recht, das einer hat, seine Freunde vor Dummheiten zu bewahren … Ich brauche den Kurs von dreitausend Francs, und ich werde ihn haben!«
Was sollte man diesem schrecklichen Mann antworten, dessen schrille Stimme wie ein Hahnenschrei den Triumph verkündete! Sie lachten erneut, zuckten die Achseln und erklärten, sie wären da ganz ruhig, der famose Kurs würde doch nie erreicht werden. Er hatte sich wieder an den Tisch gesetzt, wo er neue Berechnungen anstellte, seine eigene Rechnung. Hatte er denn bezahlt, würde er seine dreitausend Aktien bezahlen? Das blieb unklar. Er mußte sogar noch viel mehr Aktien besitzen, aber das war schwer festzustellen; denn auch er diente der Gesellschaft als Strohmann, und wie sollte man nun aus dem großen Haufen die Stücke herausfinden, die ihm gehörten? Der Bleistift reihte endlose Zahlenkolonnen aneinander. Dann strich er blitzschnell alles durch und zerknüllte das Papier. Das hier und die zwei Millionen, die er im Schlamm und im Blut von Königgrätz aufgelesen hatte, waren sein Anteil.
»Ich habe eine Verabredung, ich muß jetzt gehen«, sagte
er
und nahm seinen Hut. »Aber es ist alles abgemacht, nicht wahr? In acht Tagen der Verwaltungsrat und gleich danach die außerordentliche Generalversammlung, um zu beschließen.«
Als Frau Caroline und Hamelin, verstört und erschöpft, wieder allein waren, saßen sie einen Augenblick stumm einander gegenüber.
»Was willst du?« erklärte er schließlich und beantwortete die heimlichen Überlegungen seiner Schwester. »Wir stecken da drin und müssen drin bleiben. Er hat recht, wenn er sagt, es wäre albern von uns, dieses Vermögen auszuschlagen … Ich habe mich stets nur als Mann der Wissenschaft betrachtet, der Wasser auf die Mühle zu leiten hat, und das habe ich getan, glaube ich, klares Wasser im Überfluß, es waren ausgezeichnete Geschäfte, denen die Bank ihren raschen Aufstieg verdankt … Nun, da mich kein Vorwurf treffen kann, wollen wir auch nicht den Mut verlieren, laß uns arbeiten!«
Sie war wankend und stammelnd von ihrem Stuhl aufgestanden.
»Oh, dieses viele Geld … Dieses viele Geld …«
Eine unbezwingliche Erregung würgte sie beim Gedanken an diese Millionen, die auf sie herniederregnen sollten, sie fiel ihrem Bruder um den Hals und weinte. Es war zweifellos Freude, das Glück, ihn endlich für seine Intelligenz und für seine Arbeit würdig belohnt zu sehen; aber es war auch Kummer dabei, ein Kummer, für den sie den eigentlichen Grund nicht hätte nennen können und in den sich etwas wie Scham und Angst mischten. Hamelin neckte sie, sie taten so, als würden sie noch fröhlicher, und dennoch blieb ein Unbehagen in ihnen zurück, eine dumpfe Unzufriedenheit mit sich selbst, die uneingestandene Reue über eine schmutzige Komplizenschaft.
»Ja, er hat recht«, wiederholte Frau Caroline, »alle machen mit. So ist das Leben.«
Die Sitzung des Verwaltungsrates fand im neuen Saal des prunkvollen Gebäudes in der Rue de Londres statt. Das war nicht mehr der feuchte Salon, den der fahle Schimmer aus dem benachbarten Garten in grünes Licht tauchte, sondern ein großer Raum mit vier Fenstern zur Straße; die hohe Decke, die majestätischen Wände waren mit
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