Das Geld - 18
Hausse erleben! Ich verspreche Ihnen die Million noch vor Jahresende.«
»Oh, Mama!« entfuhr es Alice in einem Seufzer, gleichsam gegen ihren Willen.
Eine Million! Das Palais in der Rue Saint-Lazare von seinen Hypotheken entlastet, vom Schmutz des Elends gesäubert! Die Haushaltsführung wieder geziemend bemessen, vorbei dieser Alpdruck von Leuten, die zwar einen Wagen haben, aber nicht genügend Brot! Die Tochter, mit einer anständigen Mitgift verheiratet, könnte endlich einen Gatten und Kinder haben, jene Freude, die sich sogar die letzte Bettlerin von der Straße gönnt! Der Sohn, den das Klima in Rom zugrunde richtete, fände Erleichterung und wäre in die Lage versetzt, seinen Stand zu wahren, indes er wartete, um der großen Sache zu dienen, die ihn sowenig in Anspruch nahm! Die Mutter kehrte in ihre hohe Stellung zurück, könnte ihren Kutscher bezahlen, müßte nicht mehr knausern, wenn sie bei ihren Dienstagdiners ein zusätzliches Gericht reichen wollte, und wäre für den Rest der Woche nicht mehr zum Fasten verurteilt! Diese Million strahlte, sie war das Heil, der Traum …
Besiegt wandte die Gräfin sich zu ihrer Tochter, um auch sie zur Zustimmung zu bewegen.
»Sag, wie denkst du darüber?«
Aber Alice sagte nichts mehr, sie senkte langsam die Lider und ließ den Glanz in ihren Augen erlöschen.
»Richtig«, versetzte die Mutter und lächelte jetzt ebenfalls, »ich habe vergessen, daß du mich ganz allein entscheiden lassen willst … Aber ich weiß, wie tapfer du bist und was du dir erhoffst …« Und an Saccard gewandt, fuhr sie fort: »Ach, Herr Saccard, man ist des Lobes voll über Sie! … Wohin wir gehen, erzählt man uns die schönsten, rührendsten Dinge. Nicht nur die Fürstin dʼOrviedo, alle meine Freundinnen sind von Ihrem Werk begeistert. Viele beneiden mich, weil ich eine Ihrer ersten Aktionärinnen bin, und wenn man sie reden hört, würde man sogar seine Matratzen verkaufen, um Ihre Aktien zu nehmen.«
Sie scherzte sanft.
»Ich finde die Leute sogar ein bißchen verrückt, ja wirklich, ein bißchen verrückt. Vermutlich bin ich nicht mehr jung genug … Aber meine Tochter gehört zu Ihren Bewunderern. Sie glaubt an Ihre Sendung, sie treibt Propaganda in allen Salons, in die ich sie führe.«
Entzückt betrachtete Saccard Alice, und sie war in diesem Augenblick so lebhaft, so voller Glauben, daß er sie wirklich hübsch fand, trotz ihrer gelben Gesichtsfarbe, trotz ihres allzu dünnen, schon welken Halses. Und er kam sich groß und gut vor bei dem Gedanken, daß er dieses traurige Geschöpf, dem allein schon die Hoffnung auf einen Gatten genügte, um es zu verschönen, glücklich gemacht hatte.
»Oh«, sagte sie ganz leise und wie von ferne, »das ist so schön, diese Eroberung da unten … Ja, eine neue Ära, das Kreuz erstrahlend im Glanze …«
Das war das Geheimnis, das niemand auszusprechen wagte; und ihre Stimme wurde noch leiser, verlor sich in einem Hauch des Entzückens. Im übrigen gebot er ihr mit einer freundschaftlichen Gebärde Schweigen, denn er duldete nicht, daß man in seiner Gegenwart von der großen Sache sprach, dem höchsten, verborgenen Ziel. Seine Geste deutete an, daß man immer danach streben, nie aber ein Wort darüber verlieren solle. Nur im Allerheiligsten wurden in den Händen einiger Eingeweihter die Weihrauchfässer geschwenkt.
Nach einer Pause der Rührung erhob sich die Gräfin endlich.
»Nun denn, Herr Saccard, Sie haben mich überzeugt, ich werde meinem Notar schreiben, daß ich das Angebot annehme, das sich für Les Aublets bietet … Gott möge mir verzeihen, wenn ich unrecht tue!«
Saccard war ebenfalls aufgestanden und erklärte mit bewegtem Ernst:
»Gott selbst hat Ihnen diesen Entschluß eingegeben, Frau Gräfin, seien Sie dessen gewiß.«
Und als er sie bis in den Flur hinausgeleitete, das Vorzimmer meidend, wo das Gedränge noch immer andauerte, begegnete er Dejoie, der mit verlegener Miene herumschlich.
»Was gibtʼs? Ist da schon wieder jemand?«
»Nein, nein, Herr Saccard … Aber wenn ich Herrn Saccard um einen Rat fragen dürfte … Und zwar für mich …«
Und er manövrierte in einer Weise, daß Saccard schon wieder in seinem Arbeitszimmer war, während er, Dejoie, sehr ehrerbietig auf der Schwelle stand.
»Für Sie? Ach richtig, Sie sind ja auch Aktionär … Nun gut, mein Bester, nehmen Sie die neuen Papiere, auf die Sie ein Bezugsrecht haben, verkaufen Sie lieber Ihre Hemden, als daß Sie auf die Aktien
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