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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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arbeiten. Das wußte er, er hatte auch den Beweis dafür. Und wenn nun Saccard nicht mehr nett war, gebot es da nicht einfach die Klugheit, sich mit seinem Gegner gut zu stellen, ohne im übrigen mit Saccard zu brechen? So hätte man einen Fuß in jedem Lager und wäre sicher, am Tage der Schlacht auf der Seite des Siegers zu sein. Diesen Verrat schlug er ihr mit freundlicher Miene vor, einfach als guter Ratgeber. Wenn eine Frau für ihn arbeitete, würde er ganz beruhigt schlafen.
    »Na, wollen Sie? Wir könnten gemeinsame Sache machen … Wir geben uns vorher Bescheid, wir sagen uns alles, was wir in Erfahrung brachten.«
    Als er sich ihrer Hand bemächtigte, zog sie sie instinktiv zurück, weil sie gleich an etwas anderes dachte.
    »Aber nein, das ist vorbei, wir sind doch jetzt Partner … Später sollen Sie mich belohnen.«
    Lachend überließ sie ihm ihre Hand zum Kuß. Und schon empfand sie keine Verachtung mehr, vergaß den Lakaien, der er gewesen, übersah den liederlichen Lebenswandel, dem er verfallen war: das verwüstete Gesicht mit dem schönen Bart, den der Alkohol verpestete, die Flecken auf seinem neuen Gehrock, die Schrammen an seinem glänzenden Zylinder, die vom Gipsverputz in irgendeinem dreckigen Treppenhaus herrührten.
    Gleich am nächsten Tag begab sich die Baronin Sandorff zu Gundermann. Dieser führte, seitdem die Universelle-Aktien den Kurs von zweitausend Francs erreicht hatten, tatsächlich einen regelrechten Baissefeldzug, und zwar in aller Heimlichkeit, denn er ging nie in die Börse und hatte dort nicht einmal einen offiziellen Vertreter. Seine Überlegung war, daß eine Aktie zunächst ihren Emissionspreis wert ist und dann den Gewinn, den sie abwerfen kann und der von der Prosperität der Firma, vom Erfolg der Unternehmungen abhängt. Es gibt also einen Höchstwert, den sie vernünftigerweise nicht überschreiten darf; tut sie es infolge der allgemeinen Begeisterung doch, ist die Hausse unnatürlich, und die Vernunft gebietet, sich auf die Baisse einzustellen, die mit Sicherheit eintreten wird. In seiner Überzeugung, in seinem festen Glauben an die Logik war er über die raschen Erfolge Saccards dennoch überrascht, über diese so plötzlich gewachsene Macht, die die jüdische Hochfinanz allmählich in Schrecken versetzte. Dieser gefährliche Rivale mußte also so bald wie möglich zu Boden geworfen werden, nicht nur um die nach Königgrätz verlorenen acht Millionen zurückzugewinnen: vor allem wollte Gundermann die Herrschaft über den Markt nicht mit diesem schrecklichen Abenteurer teilen müssen, dessen Husarenstreiche wider jeden gesunden Menschenverstand wie durch ein Wunder zu gelingen schienen. Und voller Verachtung für die Leidenschaft übertrieb Gundermann noch dieses Phlegma des Spekulanten, der sich mit der kühlen Hartnäckigkeit eines Zahlenmenschen auf klare Berechnung verläßt; trotz der anhaltenden Hausse verkaufte er immer weiter und verlor mit der schönen Sicherheit eines Weisen, der sein Geld einfach auf die Sparkasse bringt, bei jeder Liquidation immer beträchtlichere Summen.
    Als die Baronin mitten im Gedränge der Angestellten und Remisiers, wo es Schriftstücke und Depeschen hagelte, die zu unterschreiben und zu lesen waren, endlich eintreten konnte, fand sie einen Bankier vor, der so schrecklich erkältet war, daß ihm der Husten schier die Brust zerriß. Indessen war er seit sechs Uhr morgens an seinem Platz, hustend und spuckend, vor Müdigkeit ganz entkräftet und trotzdem unerschütterlich. An diesem Tage stand eine Auslandsanleihe bevor, in den großen Raum ergoß sich ein Besucherstrom, der es noch eiliger hatte und den zwei seiner Söhne und einer seiner Schwiegersöhne in Windeseile abfertigten; in einer Fensternische auf dem Fußboden neben dem schmalen Tisch, den Gundermann sich im Hintergrund vorbehalten hatte, zankten sich drei seiner Enkel, zwei Mädchen und ein Junge, mit Gekreisch um eine Puppe, von der ein ausgerissener Arm und ein Bein auf dem Boden herumlagen.
    Die Baronin rückte gleich mit ihrem Vorwand heraus.
    »Lieber Herr Gundermann, ich wollte persönlich den Mut aufbringen, Ihnen ungelegen zu kommen … Es handelt sich um eine Wohltätigkeitslotterie …«
    Er ließ sie nicht ausreden, er war sehr mildtätig und nahm stets zwei Lose, zumal wenn Damen, denen er in der Gesellschaft begegnet war, sich solcherart die Mühe gaben, sie ihm selbst zu bringen.
    Aber er mußte sich entschuldigen, ein Angestellter legte ihm die Akte eines

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